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Orientierung - und es gibt sie doch

Paderborner SPD-Wissenschaftsforum hochkarätig besetzt

Von Reinhard Brockmann
Paderborn (WB). »Keiner weiß, wohin es geht und nach welchen Regeln gespielt wird«: Professor Wilhelm Heitmeyer brachte die »Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft« gestern Abend beim SPD-Wissenschaftsforum in Paderborn unmissverständlich auf den Punkt.

Nicht in der Radikalität, wohl aber in der Tendenz fand seine Analyse Bestätigung bei Hans-Jochen Vogel, Gesine Schwan und Maria Jepsen. Der ehemalige SPD-Vorsitzende hielt zwar einen freundlicheren Befund aus Reihen der SPD entgegen. Die Professorin aus Frankfurt/Oder kannte auch Hoffnung machende Beispiele von bürgerlicher Initiative selbst im Osten und die Hamburger Bischöfin riet, dem Halt suchenden Menschen die Hand hinzuhalten. Kurzum das hochkarätige Podium unter Leitung der Bundestagsabgeordneten Ute Berg (SPD) fand im Heinz Nixdorf Museumsforum durchaus eine Richtung.
Aber die Spaltung der Gesellschaft nehme ganz rapide Formen an, zog Heitmeyer Halbzeitbilanz einer Zehnjahresstudie, die sein Bielefelder Institut zur Konfliktforschung seit 2002 betreibt. Danach glauben 87 Prozent der Deutschen, dass ihr Gemeinwesen auseinanderbricht. »Die Verunsicherung ist da«, kam ihm SPD-Patriarch Vogel entgegen, wusste aber auch zu belegen, dass soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Pflichterfüllung noch ganz hoch gehandelt werden. Applaus vor großer Kulisse erhielt er für seinen Appell, Werte auch als Vorbild auch zu leben.
Gesine Schwan, die Heitmeyers kritischer Linie folgte, riet die Spannung auszuhalten, wonach der Mensch Produktions- und Wirtschaftsbedingungen unterworfen ist, dies aber nicht allein hinnehmen müsse. Bischöfin Jepsen bestätigte Bedrängnisse vom Markenkult bis zur allgegenwärtigen Werbung. Es gelte dem Menschen zu vermitteln, »dass Du nicht nur Konsument bist«. Sie riet zum Staunen darüber, welche Fülle des Daseins außerhalb der Ökonomie warte. Heitmeyer bestritt, dass es selbst Eliten eine Vision davon hätten, wohin die Gesellschaft letztlich wolle. Dem widersprach Frau Berg entschieden. Beide großen Parteien feilten genau daran in ihren neuen Grundsatzprogrammen. Die SPD habe den vorsorgenden Sozialstaat anzubieten - und Hans-Jochen Vogel an ihrer Seite nickte wohlgefällig.

Artikel vom 18.04.2007