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Provokante Streitschrift
an liberale Schwestern

Koch-Mehrin gibt sich als Feministin und Rabenmutter

Von Reinhard Brockmann
Berlin (WB). »Rabenmutter« geschimpft zu werden, ist für Silvana Koch-Mehrin keine wirkliche Provokation, eher die Einladung zum Disput über Familien von heute - statt von gestern.

Berufstätige Mütter kämen in der aktuellen Diskussion zu kurz, bemerkt die FDP-Europapolitikerin und Mutter/Managerin einer deutsch-irischen Familie mit Sitz in Brüssel sowie Großeltern in Rhein- und Irland. Frauen zwischen Küche und Karriere müssten sich zusammentun, sagte sie dieser Zeitung, weil die vermeintlichen Rabenmütter »immer noch stigmatisiert werden - obwohl so etwas von vorgestern ist.«
»Streitschrift für einen neuen Feminismus« nennt sie im Untertitel ihr Buch »Schwestern« (Econ-Verlag), mit dem die Liberalen leicht verspätet in die laufende Hort- und Familiendebatte grätschen. »Wir wollen Jobs und Kinder haben und sehen nicht ein, uns dafür schlecht fühlen zu müssen«, besetzt die promovierte Volkswirtin eine zuletzt vakante Position im Zwist der Großkoalitonäre. Die Liberale ist so frei, dem Ruf »Zurück an den Herd« einer Eva Hermann oder eines Bischofs Walter Mixa (Stichwort »Gebärmaschine«) ihre Idee von Kindererziehung entgegen zu halten. Rabenmütter würden Kinder im übrigen aktiv ins Leben schubsen und sie nicht überbehüten, bemerkt sie und will das Ehegattensplitting sowie die Elternzeit am liebsten ganz abschaffen. Einige Bundesstaaten überließen es den Bürgern, zwischen Ehegattensplitting und Familiensplitting zu wählen, verweist sie auf Erfahrungen aus Amerika und: »Die Elternzeit wird von den Männern kaum in Anspruch genommen und für Frauen zum Berufskiller, weil die drei Jahre für Betriebe eine lange Zeit sind und Einstellungen verhindern.«
Nicht die Aussage, wohl aber das Buch von Eva Herman ist für sie ein Glücksfall, »weil so der Retro-Trend zum konservativen Familienbild eine breite Diskussion ausgelöst hat.« Dass beim Internet-Versand amazon.de ausgerechnet das Doppelpack aus Hermans »Eva-Prinzip - Für eine neue Weiblichkeit« und ihr konträres »Schwestern«-Buch besonders häufig gemeinsam über den virtuellen Ladentisch geht, lässt die 36-jährige Power-Frau befreit auflachen: Gönnen können ist für die Kölnerin kein Problem - solange ihre Position dabei ist.
Das fertige Manuskript sei zum Abnicken auf dem Tisch des Parteivorsitzenden Guido Westerwelle gelandet, musste Koch-Mehrin bei der Buchvorstellung in Berlin auf drängende Reporterfragen einräumen.
Der große Vorsitzende habe das Buch zwar nicht zensiert, seine Vorstellungen seien aber eingeflossen. So ließ sich Koch-Mehrin etwa die im Falle Westerwelles missverständliche Äußerung »Auch Männer können Schwestern sein« rausstreichen. Dabei ist dies nach Ansicht von Spiegel-Online gerade einer der Kernsätze.
Auch für Männer sei es von Vorteil, wenn die Kinderbetreuung verbessert und etwas gegen die Stigmatisierung von berufstätigen Frauen getan würde. Ambitionen auf den Posten als künftige Familienbeauftragte der FDP verfolgt Koch-Mehrin jedenfalls nicht, kann sie das politische Berlin beschwichtigen. »Ich sehe meine Zukunft weiterhin in Brüssel.«

Artikel vom 18.04.2007