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Tausende Schieder-Mitarbeiter
bangen um ihre Arbeitsplätze

Heute Betriebsversammlung - Krisenstimmung auch im Werk Steinheim

Von Edgar Fels, Ingo Schmitz
und Bernhard Pierel (Foto)
Schieder-Schwalenberg/Steinheim (WB). Als die Schieder-Unternehmensführung vergangene Woche mehrere 100 Mitarbeiter nach Hause schickte, ahnten sie nicht, dass sich die Lage bei ihrem Arbeitgeber so drastisch zuspitzen würde. Jetzt bangen sie um ihre Arbeitsplätze.

»Eigentlich sollten wir Überstunden abbauen und an diesem Donnerstag wieder die Arbeit aufnehmen - so war es mit der Geschäftsführung besprochen«, sagten die beiden Betriebsräte Hans-Dieter Matzke (55) und Erwin Karsunke (46) gestern vor dem Werkstor in Schieder-Schwalenberg dieser Zeitung. Wie es nun weitergeht, konnten sie zunächst selbst nicht sagen. Heute soll es um 13 Uhr eine Betriebsversammlung in Schieder geben.
Schon seit Wochen dauern Verhandlungen über ein von der Unternehmensberatung Alex erarbeitetes neues Finanzierungskonzept an, das bis Ende Mai vorliegen sollte. »Die Finanzierungsstruktur ist nicht optimal«, hatte ein Sprecher bereits Mitte März eingeräumt.
Insidern zufolge hatte der frühere Geschäftsführer Samir Jajjawi im Jahr 2005 eine Anleihe von 145 Millionen Euro auf dem internationalen Kapitalmarkt aufgetan, zudem eine Pfandverschreibung von 95 Millionen Euro und Genussscheine, also eine weitere Anleihe, für 30 Millionen Euro. Dabei machen Schieder nun hohe Kapitalkosten zu schaffen. Nach Jajjawis Weggang hatte Firmengründer Rolf Demuth (68) im Dezember 2006 wieder die Leitung des Unternehmens übernommen.
»Wir haben kein Auftragsproblem, sondern ein Liquiditätsproblem«, ist Betriebsrat Matzke überzeugt. Nach seinen Informationen gebe es bereits ein neues Finanzierungskonzept, das aber noch von den Investoren genehmigt werden müsse. Um welche Investoren es sich handelt, wisse er nicht. Dem Vernehmen nach sollen auch britische Finanzgeber engagiert sein.
Wie groß die Unruhe ist, zeigt auch der Versuch eines Mitarbeiters des Scharnier-Zulieferers FGV Formenti, gestern eine Bestandsaufnahme seiner bereits gelieferten Ware vorzunehmen. »Im schlimmsten Fall würden wir 300000 Euro verlieren«, sagte er.
Ebenfalls Krisenstimmung herrschte gestern beim zur Schieder-Gruppe gehörenden PM Möbelwerk in Steinheim. Die 180 Mitarbeiter mussten bereits vor zehn Produktionstagen die Arbeit niederlegen, weil es kein Material mehr gab. In dieser Woche sollte es mit Kurzarbeit weiter gehen. Nun kommt der Insolvenzantrag dazwischen. Geld gab es gestern zur Monatsmitte für die Belegschaft in der Produktion auch nicht.
Der PM-Betriebsrat kämpft seit Jahren um den Fortbestand des Steinheimer Werkes, das bereits 2006 still gelegt werden sollte. Mit Hilfe einer Vereinbarung -Êdie Beschäftigten verzichten seither auf 6500 Euro jährlich -Êsollten die Arbeitsplätze eigentlich gesichert werden. Nun geistert das Schreckgespenst »Insolvenz« durch die leer gefegten Werkhallen.
Betriebsratsvorsitzender Jürgen Berghahn sieht in der Insolvenz aber eine Chance für die gesamte Schieder-Gruppe. »Es wäre gut, wenn es für alle betroffenen Unternehmen nur einen Insolvenzverwalter geben würde, der eine Gesamtlösung herbeiführt.« Er geht davon aus, dass das Möbelwerk in Steinheim auch unter solchen Bedingungen fortbestehen könnte: »Das ist nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für die Stadt Steinheim von großer Bedeutung. PM stellt hier fünf Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze.«

Artikel vom 17.04.2007