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Oettinger rudert langsam zurück

»Entschuldigung« formuliert

Stuttgart (dpa). In kleinen Schritten rückt Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) am Wochenende von seiner umstrittenen Trauerrede für Amtsvorgänger Hans Filbinger ab.
»Rede war vertretbar«: Günther Oettinger.
Ob der versuchte Befreiungsschlag mit einem gestern Abend verbreiteten »Bild«-Interview inklusive Entschuldigung und Zerknirschung gelungen ist, muss sich zeigen.
Erneut zeigte sich der Stuttgarter Regierungschef in dem Gespräch »betroffen« über die Wirkung seiner Freiburger Rede vom Mittwoch, die ihm bereits eine öffentliche Rüge der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel eingetragen hatte. Zugleich bezeichnete Oettinger den 1945 als NS-Marinerichter mit Todesurteilen gegen Deserteure befassten Filbinger jedoch nicht mehr als Nazi-Gegner, sondern eindeutig als Mitläufer »wie Millionen anderer«. »Daran besteht kein Zweifel.« Und er räumte ein, angesichts der kritischen Aufnahme seiner Filbinger-Würdigung in der Öffentlichkeit würde er die Rede heute wohl anders halten.
»Es war nie meine Absicht, die Verfolgten und die Opfer zu verletzen« sagte Oettinger der Zeitung mit der Riesenauflage, ganz ähnlich wie bereits am Samstag in einem »Offenen Brief« an seine Kritiker. »Sollte das geschehen sein, tut es mir leid. Und dafür entschuldige ich mich auch«, fügte der Ministerpräsident hinzu - eine Formulierung, die er vorher nicht gewählt hatte.
Schon die schriftliche Erklärung Oettingers per »Offenem Brief« kam erst am Samstag, als der öffentliche Druck übermächtig geworden war. Darin fehlte eine Aussage zu dem kritisierten Punkt der Ansprache - Filbinger sei ein Gegner des NS-Regimes gewesen. Damit hatte Oettinger Politiker, den Zentralrat der Juden und Angehörige von Nazi-Opfern gegen sich aufgebracht.
Gestern wies Oettinger die Einwände zunächst zurück: »Ich glaube, dass Hans Filbinger ein Gegner der Diktatur gewesen war.« Nun räumte Oettinger ein, Filbinger habe nicht wie andere die Kraft zum offenen Widerstand gehabt. Er habe sich verhalten wie Millionen andere, dem Nazi-Regime aber kritisch gegenüber gestanden.

Artikel vom 16.04.2007