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Gegen die Mutlosigkeit angehen

Heute im Gespräch: Bischöfin Maria Jepsen aus Hamburg

Paderborn (WB). Kritisch gegenüber die in alle Lebensbereiche schleichende Kommerzialisierung hat sich Maria Jepsen, Bischöfin für den Sprengel Hamburg der nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, geäußert. Mit Bischöfin Maria Jepsen sprach Dirk Schröder.»Eintritte in die evangelische Kirche nehmen zu«: Bischöfin Maria Jepsen.
Die Angst vor sozialem Abstieg als auch vor Arbeitslosigkeit wächst. Es ist vordringliche Aufgabe der Politik, hier zu handeln. Doch auch die Kirche ist gefordert. Was kann sie tun?Bischöfin Maria Jepsen: Die Kirchen haben hier sicher die Aufgabe, die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft zu mahnen, auf gerechte Verhältnisse zu achten und die Schwächeren mehr zu fördern. Es darf ja nicht sein, dass die Gesellschaft sich dauerhaft aufspaltet in Arbeitshabende und Arbeitslose.
Bereits vor zehn Jahren nannte die EKD als eines ihrer Ziele, »Ausgrenzungen zu überwinden und alle am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen.« Der Mensch verkümmert, wenn er das öffentliche Leben nur noch an sich vorbeigleiten sieht. Viele, auch Jugendliche, haben heute häufig schon den Eindruck, sie seien abgehängt.
Hier hat die Kirche ihre seelsorgerische Arbeit ernst zu nehmen und gegen die schleichende Mutlosigkeit anzugehen. Kirchliche Gottesdienste, Gruppen und Aktionen haben eine bindende Kraft. Die Kirche hat den Vorteil, alle Generationen ansprechen zu können.

Die Menschen wenden sich nicht nur von der Politik ab. Viele kehren auch der Kirche den Rücken. Wo liegen die Gründe, wie Können Sie diesen Trend umkehren?Jepsen: Als Kirche haben wir den Auftrag, das Evangelium zu verkünden, mit Worten und mit Taten zu einem rücksichtsvollen Leben zu ermutigen - gegen alle Egoismen und Verflachung.
Im Gegensatz zur Fragestellung beobachten wir Anzeichen einer Wende: Religion, auch die christliche Religion, wird den Zeitgenossen wieder interessant. Die Scheu aber, sich einer Organisation oder einer Kirche durch Mitgliedschaft zu verpflichten, bleibt hoch. Dennoch nehmen Eintritte in die evangelische Kirche zu.

Welche Gemeinsamen Werte lassen sich der Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft entgegensetzen?Jepsen: Wir treten mit der christlichen Botschaft an gegen ein Denken, das nur auf Superlative zielt. Gleichzeitig sind wir kritisch gegen die in alle Lebensbereiche schleichende Kommerzialisierung. Wir setzen uns ein für die Wertschätzung der einem jeden Menschen bei der Geburt von Gott mitgegebenen Fähigkeiten. Die gilt es zu entdecken und zu entwickeln.
Desgleichen lenken wir den Blick auf den unschätzbaren Reichtum des nichtkäuflichen Bereichs: wir halten fest an der Bedeutung von Nächstenliebe und Gottesliebe, Mitverantwortung für die Schöpfung und Wahrung der Arbeitsruhe am Sonntag. Der Mensch ist mehr als nur Produzent und Konsument - seine Gedanken, Gefühle und bildenden Kräften gilt es zu beachten. Wir werden zu arbeiten haben an einem neuen Empfinden und Begreifen unserer zwischenmenschlichen Gemeinschaftsfähigkeit; praktisch gesagt: es gilt, den Wert der Nachbarschaft - im kleinen und großen - ganz neu zu entdecken und zu entwickeln.

Artikel vom 14.04.2007