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Der Zerfall der morschen
Bayern-Mannschaft

Trainer Hitzfeld rechnet ab - Häme von Beckenbauer

Stuttgart/München (dpa). Bye-bye Bayern! Am Tag nach dem endgültigen K.o. im Titelrennen und dem wohl besiegelten Abschied von der großen Champions-League-Bühne nahm sich Trainer Ottmar Hitzfeld in seiner »längsten Teamsitzung« die Versager von Stuttgart zur Brust und schlug danach auch öffentlich Alarm.

Der 58-Jährige warnte gestern energisch vor einem möglichen Zerfall des entthronten deutschen Meisters. »Es besteht die große Gefahr, dass eine Mannschaft auseinander fallen kann vier Spieltage vor Saisonschluss, wenn diskutiert wird über Verstärkungen und viele Spieler schon in Verhandlungen mit anderen Vereinen sind. Das ist eine prekäre Situation«, erklärte Hitzfeld und drohte seinen Stars mit Konsequenzen: »Das dulde ich nicht, da haue ich dazwischen. Vielleicht unterschätzen das einige Spieler.«
Die Kommentare des Trainers und von Kapitän Oliver Kahn steckten nach dem 0:2 gegen entfesselte Stuttgarter voller Resignation und Ratlosigkeit, während Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge und Manager Uli Hoeneß wortlos flüchteten und über das Wochenende abtauchten. Franz Beckenbauer verteilte aus der Ferne Backpfeifen und gab den Rekordmeister zur Häme frei. »Ich freue mich, dass sie uns jetzt ein bisschen in die Pfanne hauen. Das ist eine Chance. Da kannst du dich als Verein erneuern und sagen: So, jetzt packen wir es wieder«, sagte er der Welt am Sonntag.
Nach einem Jahrzehnt der Dauer-Mitgliedschaft in der Champions League scheint der Albtraum UEFA-Cup bei fünf Punkten Rückstand auf Platz drei besiegelt zu sein. Aber Hitzfeld will das Unvorstellbare noch nicht akzeptieren: »Unser Ziel muss sein, trotzdem jedes Spiel zu gewinnen, falls Stuttgart noch strauchelt.« Der Immer-weiter-Kämpfer Kahn hat aufgegeben: »Nach diesem Auftritt habe ich keine Lust mehr auf Durchhalteparolen.« Die Partie war der Abgesang auf eine Mannschaft, die längst an Größe verloren hat und dringend ein neues Gesicht benötigt. »Es wird sicher einen großen Schnitt geben«, kündigte Hitzfeld an.
Der Umbruch wird auch für den Rückkehrer auf der Trainerbank, der mit durchschnittlich 1,73 Punkten aus elf Spielen eine schlechtere Bilanz aufweist als sein Vorgänger Felix Magath (1,79) eine besondere Herausforderung. »Der Neuaufbau reizt mich«, sagte der Coach, an Aufgabe denke er nicht. Gesucht wird nun ein Spielertyp, der eine Partie lenken kann, wie Rafael van der Vaart vom Hamburger SV. Die Mittelfeldspieler Mark van Bommel, Hasan Salihamidzic, Roque Santa Cruz und Owen Hargreaves boten in Stuttgart keine internationale Klasse und wie schon beim Champions-League-K.o. gegen den AC Mailand (0:2) zerfiel das morsche Bayern-Ensemble in Sekundenschnelle. Nach den Gegentreffern durch Cacau (23./25.) war Kahn der Kragen geplatzt. Er feuerte Ball und Schirmmütze weg und sah von Schiedsrichter Markus Merk die Gelbe Karte. »Wegen Zeitspiels beim Stand von 0:2«, wie der 37-Jährige später kopfschüttelnd bemerkte. Genauso fassungslos war der Kapitän über den Auftritt seiner Mitspieler: »Die erste Halbzeit war fatal. Das ist mir ein absolutes Rätsel. Ich habe keine Erklärung dafür, dass man sich praktisch abschlachten lässt.«

Artikel vom 23.04.2007