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Merkel rügt Oettingers
Filbinger-Äußerungen

Bundeskanzlerin vermisst kritische Fragen

Berlin (Reuters). Kanzlerin Angela Merkel hat sich mit Kritik am baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger in die Debatte um dessen Würdigung seines Amtsvorgängers Hans Filbinger eingeschaltet.

Die CDU-Vorsitzende erklärte am Freitag, sie hätte sich gewünscht, in der Rede wären »auch die kritischen Fragen im Zusammenhang mit der Zeit des Nationalsozialismus zur Sprache gekommen«.
Der SPD-Politiker Klaus-Uwe Benneter stellte Oettingers Co-Vorsitz in der Kommission von Bund und Ländern zur Föderalismusreform in Frage. Er werde »als Mitvorsitzender nur noch zu akzeptieren sein, wenn er sich hier klar und deutlich distanziert«, sagte Benneter. Oettinger hat bisher jedoch kein Einlenken gezeigt: »Meine Rede war öffentlich, ernst gemeint und die bleibt so stehen.«
Seine umstrittenen Äußerungen - siehe nebenstehenden Wortlaut - fielen am Mittwoch bei der Trauerfeier für den Anfang April 93-jährig gestorbenen Filbinger. Es gebe kein Urteil von Filbinger, durch das ein Mensch sein Leben verloren habe, meinte Oettinger unter anderem. Der Schriftsteller Rolf Hochhuth nannte dies eine »unverfrorene Erfindung«.
Im Rowohlt-Verlag etwa sei als Buch »die Tragödie des Matrosen Walter Gröger erschienen, den Filbinger persönlich noch in britischer Kriegsgefangenschaft hat ermorden lassen«, schrieb Hochhuth in der »Süddeutschen Zeitung«. Filbinger habe selbst das Erschießungskommando geführt, für das er sich von den Briten zwölf Gewehre geliehen habe - »wozu nichts Filbinger genötigt hat als die Tatsache, dass er ein sadistischer Nazi war«, schrieb Hochhuth. Der 21-Jährige war am 16. März 1945 in Oslo als Deserteur hingerichtet worden. Das Todesurteil habe Filbingers Unterschrift getragen.
Merkel erklärte, sie habe mit Oettinger telefoniert. Ein Hinweis auf die kritischen Fragen im Zusammenhang mit der Zeit des Nationalsozialismus wäre nach ihren Worten insbesondere mit Blick auf die Gefühle der Opfer und Betroffenen angemessen gewesen.
Der Schriftsteller und Holocaust-Überlebende Ralph Giordano forderte Oettingers Rücktritt. »Es gibt keine andere Konsequenz.« Ihm habe der Atem gestockt, als er von dessen Äußerungen gehört habe. Auch das Simon Wiesenthal Center in Jerusalem forderte Oettingers Rücktritt. Rückhalt bekam Oettinger dagegen aus seiner Landes-CDU. »Der hat keinen Fehler gemacht«, sagte Landesfinanzminister Gerhard Stratthaus. »Filbinger war in Baden-Württemberg ein anerkannter Mann.« Leitartikel

Artikel vom 14.04.2007