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»Die Wunde Biermann« ist
noch immer nicht verheilt

Der Liedermacher gibt in Herford ein Konzert

Von Hartmut Horstmann
Herford (WB). Für viele Zeitzeugen war die Ausweisung Wolf Biermanns der Anfang vom Ende der DDR. Dass die Wunde Biermann bei den alten Beton-Kommunisten immer noch nicht verheilt ist, zeigt der Wirbel um die Verleihung der Berliner Ehrenbürgerwürde. Am heutigen Samstag gibt der Liedermacher in Herford ein Konzert.

Die Zukunft werde entschieden im Streit um die Vergangenheit, textete Biermann in einem Lied. Wie der Künstler zur eigenen Geschichte, zu den Stasi-Leuten, die ihn bespitzelten, steht, führt er in einem Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT aus. Dabei unterscheidet der 70-Jährige zwischen Tätern, »die ihre schuldhafte Verstrickung bedauern«, und den Uneinsichtigen: »Verbrechen, die von den Tätern aggressiv geleugnet werden, kann kein Opfer verzeihen.« In der PDS erkennt er die »geistige und materielle Erbin« der SED. Es handele sich um einen reaktionären Verein, »der frechfröhlich auf der demokratischen Flöte sein altes totalitäres Klassenkrampfliedchen« spiele.
Der Dichter selbst hat sich nach eigenen Angaben unter Schmerzen von den alten Ideen abgewandt: »Ich erkannte, dass der Versuch, das kommunistische Himmelreich auf Erden zu erzwingen, immer in die schlimmsten Höllen totalitärer Dikatatur führen muss.« Der Dichter wandelte sich zum parlamentarischen Demokraten, der das Wort »Wiedervereinigung« mit »ie« schreibt - »und nicht wie mein zerfreundeter Freund Grass mit i«.
Die Tatsache, dass der Atheist Biermann in Herford in einer Kirche auftritt, empfindet er nicht als Widerspruch. Die Unterdrückung der Christen in der DDR habe ihm gezeigt, dass es egal sei, woran ein Mensch glaube. Es komme vielmehr darauf an, ob ihn sein Glaube stärke im Streit gegen Unmenschlichkeit.
Das Konzert mit dem Göteborger Kammerchor am Samstag, 14. April, beginnt um 19.30 Uhr in der St. Johannis-Kirche. Biermann spielt Lieder aus mehr als vier Jahrzehnten.

Artikel vom 14.04.2007