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Kunstwerke unter den Füßen

Museum Huelsmann zeigt Fliesenkunst aus acht Jahrhunderten

Von Elke Wemhöner
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). In der Regel werden sie mit Füßen getreten. Dabei sind Fliesen vielfach Kunstwerke im Kleinformat. Das Museum Huelsmann präsentiert unter dem Titel »Schönheit aus dem Feuer« bis Mitte September Fliesenkunst aus acht Jahrhunderten.

Noch während im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte die Vorbereitungen für die Fliesen-Ausstellung lief, hatten die Bielefelder Kollegen ihr Interesse angemeldet. »Fliesenkunst vom Feinsten« vermutete Dr. Hildegard Wiewelhove dahinter - und wurde nicht enttäuscht. Denn in Dortmund wurde ein Schatz gehoben, den Barbara Koller als Kuratorin zudem in einem 130 starken, reich bebilderten Katalog beschreiben hat.
Herzstück der 350 Exponate umfassenden Ausstellung in der Direktorenvilla sind mittelalterliche Fliesen. Ihre solide Verarbeitung und die damit dokumentierte Qualität lässt staunen. Die Älteste wird auf 1150/1180 datiert, zeigt einen Kentaur mit Schwert und Schild und stammt aus einer Klosterkirche in Schlettstedt/Elsass.
Die Kulturen im Orient waren in der Fliesenkunst dem Okzident weit voraus: seit 6000 Jahren gibt es sie dort. In Europa lag die Keimzelle dieser Handwerkskunst in Spanien und ist auf die Mauren zurückzuführen. Man denke an den Alhambra-Palast in Granada. Von der iberischen Halbinsel aus wurden Italien und die Niederlande beeinflusst, dann folgte Frankreich.
Zunächst wurden Fliesen tatsächlich nur »mit Füßen getreten«, weil als Bodenbelag genutzt. Die kleine Oberfläche der gebrannten Tonwerke zeigt Motive, die mit Modeln herausgeformt wurden - wie beim Backen. Frühe Fliesen hatten noch keine Lasur wie wir sie heute kennen. Und erst im Laufe der Jahrhunderte wurden die Fliesen farbiger, von Künstlern mit aufwändigen Motiven gestalteten. Nicht nur Muster, auch Szenen und gegenständliche Abbildungen entstanden - auf einzelnen Fliesen und als Arrangements.
Da hatten die Fliesen längst die Wand erobert - in südlichen Breiten aus praktischen Gründen ob ihrer isolierenden Wirkung, aber auch aufgrund ihrer dekorativen Wirkung. Ein Haus ohne Fliesen war in der spanischen Gesellschaft ein Armutszeugnis.
Barbara Koller erzählt aber auch, dass Fliesen in Spanien zur Deckenverkleidung eingesetzt wurden - eingefügt in die Zwischenräume der Holzbalken. Verzogen sich diese, konnte es für die Bewohner durchaus gefährlich werden. Denn die Fliesen wogen bis zu zehn Kilogramm.
Neben den farbenfrohen Arbeiten aus den Mittelmeer-Ländern haben die niederländischen Fliesen mit ihrer schlichten Blau-Weiß-Koloration eine weite Verbreitung in Europa erfahren. Hier stand übrigens chinesisches Porzellan mit seinen Dekoren Pate beim Entwurf. Eine Hochzeit der Fliesenkunst war dann noch der Jugendstil. Auch hierzu gibt es sehenswerte Exponate.
Mit »Fliesen der Luft« setzte zur Eröffnung am Sonntag Flötist Frank Oberschelp musikalische Akzente. Und die Gäste aus Dortmund - unter ihnen Wolfgang E. Weick, leitender städtischer Museumsdirektor - waren angetan von der Präsentation in der Direktorenvilla. Der Schwerpunkt der Sonderausstellung liegt wieder im Dachgeschoss, weitere Exponate finden sich im Erdgeschoss und im ersten Stock. Führungen gibt es sonntags um 11.30 Uhr; Gruppen können Termin auch außerhalb der Öffnungszeiten vereinbaren (Tel. 51 37 67).

Artikel vom 16.04.2007