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»Wir Kinder haben unseren
Großvater Wilhelm II. geliebt«

Zum Tod Wilhelm Karls: Historisches über eine wirkmächtige Familie

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Mit dem Tod des letzten Kaiserenkels (wie gestern berichtet) ist nun der letzte Hohenzoller gestorben, der Wilhelm II. noch persönlich kannte. Wilhelm Karl Adalbert Erich Dettloff Prinz von Preußen war ein Augenzeuge stürmischer Zeiten zwischen Diktatur und Demokratie.
Christian Graf von Bassewitz (66) arbeitete im Vorstand des Bankhauses Lampe. Foto: Hörttrich

Bei den Johannitern, deren Geschicke Wilhelm Karl als 36. Herrenmeister von 1958 bis 1999 lenkte, wird er bis heute höflichkeits- und ehrenhalber mit S.K.H. tituliert: Seine Königliche Hoheit. Der Prinz von Preußen, am 30. Januar 1922 in Potsdam geboren, galt allerdings nach den strengen Bestimmungen des Hauses Hohenzollern als nicht nachfolgeberechtigt - ebenso wie seine drei älteren Geschwister Oscar Wilhelm (1915-1939), Burchard Friedrich (1917-1988) und Herzeleide Ina Marie (1918-1989).
Die Hochzeit des Vaters Oskar Karl (1888-1958) mit Gräfin Ina Marie von Bassewitz (1888-1973) war eine nicht standesgemäße Liebesheirat gewesen. »Hätte die Monarchie fortbestanden, so wäre Ururenkel Prinz Georg Friedrich der Kronprätendent gewesen«, sagte Wilhelm Karl in einem Interview 2004. »Wir waren alljährlich zehn Tage in den Sommerferien dort [im holländischen Kaiserexil Doorn; d.Red.]. Wir liebten unseren Großvater. Er hatte die große Gabe, jedem seiner Enkel das Gefühl zu geben, dass gerade der ihm besonders nahe stand.«
Vom Geschlecht derer von Bassewitz gehen Linien ins Ostwestfälische: Christian Graf von Bassewitz (66) wirkte beim renommierten Bankhaus Lampe (juristischer Sitz: Bielefeld), zunächst als Assistent Rudolf von Ribbentrops (Sohn des NS-Außenministers), von 1992 bis 2006 als persönlich haftender Gesellschafter und Sprecher der Geschäftsleitung.
»Gräfin Ina Marie war meine Tante, Onkel Oskar mein Patenonkel«, erfuhr das WESTFALEN-BLATT vom Grafen von Bassewitz - der mithin ein Cousin des Verstorbenen ist. »Ich musste schon als Kind das verwandtschaftliche Geflecht des Hauses Hohenzollern memorieren.« Die Tante, eine schöne Frau, wurde die Lieblingsschwiegertochter des Kaisers: »Mein Großvater, Ina Maries Vater, hat sich blendend mit Wilhelm II. verstanden.«
Und viele Kinder kennen den wohl berühmtesten Spross des mecklenburgischen Hauses: Gerdt von Bassewitz (1878-1923) ist der Autor des phantasievollen Märchens »Peterchens Mondfahrt«.
Zurück zu den Hohenzollern: Die hohe Politik verdunkelte alsbald den Horizont des glücklichen Paares. War es in der Weimarer Demokratie noch Ehrensache gewesen, sowohl Reichswehroffizier christlicher Johanniter zu sein, so mussten die Ritter in der NS-Zeit um ihr Leben fürchten.
Oskar Karl, fünfter von sechs Söhnen des letzten Kaisers, der mit den Liegnitzer Königsgrenadieren (Grenadierregiment Nr. 7) in den Ersten Weltkrieg gezogen war, folgte seinem älteren Bruder Eitel Friedrich 1927 im Amt des Herrenmeisters der Johanniter. 1934 bereits versuchte das Regime, den Orden zu verbieten, scheiterte aber, weil ihm so viele Offiziere der Reichswehr angehörten. Nach dem Stauffenberg-Attentat 1944 wurden elf Ordensritter gehenkt.
Auch Oskar Karls Sohn geriet in die Mühlen der braunen Ideologen. Wilhelm Karl war gleich nach dem Abitur 1939 zur Wehrmacht gegangen, wurde zum Offizier befördert und machte den Russlandfeldzug mit. Im Dezember 1943 jedoch entließ die NSDAP den 21-Jährigen (»Prinzenerlass«) wegen »politischer Unzuverlässigkeit« und erwirkte ein Verbot zu studieren.
Fortan widmete sich Wilhelm Karl landwirtschaftlichen und kaufmännischen Belangen. Sein Vater kämpfte unterdessen um den Erhalt des Ordens, dem die Alliierten bis 1948 jegliche Aktivitäten untersagten. Schlimmer noch: Viele der wirtschaftlich potenten Ritter hatten Haus und Hof verloren - um so höher ist es zu bewerten, dass Oskar Karl den Neuanfang meisterte. Von Bonn aus gelang die Gründung zweier erfolgreicher Schwesterwerke: Die Johanniter-Hilfsgemeinschaft (1951) und die Johanniter-Unfallhilfe (1952) kümmern sich bis auf den heutigen Tag um die Belange der Schwachen und Kranken.
Im Februar 1958, nach dem Tod des Vaters, wählte das Kapitel den Sohn in die verantwortungsvolle Position des Herrenmeisters. Für mehr als vier Jahrzehnte diente Wilhelm Karl dem Orden, der nun um eine seiner großen Führungsgestalten trauert. »In seine Regierungszeit fielen die kraftvolle Weiterentwicklung der Ordenswerke«, heißt es in der Verlautbarung der Johanniter. »Als Höhepunkt und Abschluss der gestalterischen Epoche seines Lebens« empfand er die 900-Jahr-Feier der diakonischen Institution, profilierte die Johanniter aber auch in den folgenden Jahren als unerschütterlicher evangelischer Christ.
»Ich werde natürlich zur Beerdigung meines Cousins am 18. April in Potsdam sein«, sagt Graf von Bassewitz. »Einen Tag später findet die Trauerfeier im Berliner Dom statt - das wird ein großes gesellschaftliches Ereignis.«

Artikel vom 13.04.2007