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Günther Oettinger

»Meine Rede war ernst gemeint.«

Leitartikel
Trauerrede für Filbinger

Oettinger
hätte besser
geschwiegen


Von Ulrich Windolph
Was nur hat Günther Oettinger zu einer Trauerrede wie dieser bewogen? Vielleicht wollte der baden-württembergische CDU-Ministerpräsident dem Grundsatz Rechnung tragen, die Toten ruhen zu lassen. Das ist ihm gründlich misslungen. Der Name Hans Filbinger ist seit Mittwoch in der politischen Diskussion präsent wie seit Jahren nicht mehr.
Oettinger hat Hans Filbingers Wirken als CDU-Ministerpräsident Baden-Württembergs gewürdigt - vollkommen zu Recht. Über Filbingers Vergangenheit musste er an dessen Sarg nicht richten, er hätte schweigen können. Jetzt muss man sagen, er hätte besser geschwiegen. Mit seinem Versuch, Filbingers Verhalten zur Zeit des Nationalsozialismus zu rechtfertigen, hat sich Oettinger außerhalb jeder Diskussion gestellt.
Vor allem die Sätze »Es gibt kein Urteil von Hans Filbinger, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte« und »Hans Filbinger war kein Nationalsozialist, im Gegenteil: Er war ein Gegner des NS-Regimes« haben einen Sturm der Entrüstung ausgelöst - zu Recht. Hans Filbinger war als NS-Marinerichter gegen Ende des Zweiten Weltkrieges an der Ausstellung und Vollstreckung mehrerer Todesurteile beteiligt. Das ist eine belegbare Tatsache, die Akten lagern im Bundesarchiv.
Günther Oettinger hat gesagt, dass es für ihn und seine Generation - der auch ich angehöre - leicht und unendlich schwer zugleich ist, die Kriegszeit zu beurteilen. Das stimmt. Es ist leicht, aus der sicheren Distanz mehrerer Jahrzehnte und mit einer gut funktionierenden Demokratie im Rücken dem Widerstand das Wort zu reden. Aber es ist unendlich viel schwerer gewesen, unter einer brutalen, unmenschlichen Diktatur Widerstand zu leisten.
Oettinger hat recht, wenn er sagt, dass es unserer Generation deshalb gut ansteht, Vorsicht im Urteil walten zu lassen. Das aber ist etwas ganz anderes als Geschichtsfälschung. Und genau dieser hat er sich mit seiner Stilisierung Filbingers als einer Art »Widerstandskämpfer« schuldig gemacht. Und Oettinger hat dies nicht etwa unbedacht oder im Zuge einer hitzigen Debatte, sondern in vollem Bewusstsein getan. Den Beleg dafür liefert seine Reaktion auf die heftige Kritik: »Meine Rede war ernst gemeint«, hat er am Donnerstag noch einmal bekräftigt.
Oettingers mangelnde Einsicht, einen folgenschweren Fehler begangen zu haben, erinnert fatal an Hans Filbingers Umgang mit der eigenen Vergangenheit. War es doch auch hier gerade die fehlende Distanz - »Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein« -, die man ihm immer wieder vorwerfen musste.
Der Umgang mit unserer Geschichte fällt uns noch immer schwer. Für eine Trauerrede mag er gar zu schmerzhaft sein. Wenn man ihn aber auch in diesem Rahmen wagt, muss man die Wahrheit aushalten.
Das hat Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel am Freitag betont. Ihr Tadel an Oettingers Adresse, »insbesondere mit Blick auf die Gefühle der Opfer und Betroffenen hätte es einer deutlicheren Differenzierung bedurft«, ist wohltuend deutlich.

Artikel vom 14.04.2007