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»Die Vernunft dehnt sich aus!«

Plädoyer für die Ethik: Ulrich Wickert in der »Boulevard«-Buchhandlung

Von Matthias Meyer zur Heyde und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Vor ausverkauften Rängen hat gestern Ulrich Wickert aus seinem neuen Buch gelesen. 150 Zuhörer in der »Boulevard«-Buchhandlung wollten die Position des ehemaligen »Tagesthemen«-Moderators in der aktuellen Wertedebatte kennenlernen.

»Gauner muß man Gauner nennen« heißt das Buch - aber wo sind diese Gauner zu finden? »Überall«, sagt Wickert. »Man darf nicht immer den Politikern alles Schlechte vorwerfen, wenn es der Bürger ist, der gesellschaftliche Regeln nicht mehr einhält.«
Ein Beispiel: Verantwortung für die Natur. »Die müssen wir der kommenden Generation mindestens in dem Zustand hinterlassen, in der wir sie vorgefunden haben. Wenn also der Nachbar mich ermahnt, weil ich meinen Müll nicht trenne, nennt er mich im Prinzip einen Gauner - zu Recht.«
Wie geben wir Werte weiter? Wickert lehnt den Begriff der »Leitkultur« strikt ab. »Wir Deutschen, die wir gar nicht wissen, wer wir sind, wollen Fremde auf unsere Werte verpflichten? Unmöglich!« Statt dessen plädiert Wickert dafür, eine nationale Identität auszubilden. »Dann erst lässt sich über ethische Unterschiede diskutieren.«
Also ist der Mensch zur Vernunft fähig? »Ganz sicher - aber vernünftig ist er deswegen noch nicht«, meint Wickert mit Blick auf all die Kriege der Gegenwart. »Die gehen gegen Kulturen, in denen die Aufklärung noch nicht wirken konnte. Aber ich bin Optimist: Vernunft dehnt sich aus.«
Der Journalist müsse Fehlentwicklungen namhaft machen. Also schreibt Wickert, schlägt verschütteten Tugenden eine Gasse und hofft, dass man ihn hört.
Frankreich, in dessen Bürgertum seiner Meinung nach solidarisches Verhalten stärker wirkt als hier, stand im Mittelpunkt seiner Bücher. Warum nicht die USA? »Dort habe ich nur kurz gelebt - aber meine Krimis, auch wenn sie in Frankreich spielen, sind amerikanisch geschrieben.« Ihr Lieblingsschriftsteller? »Das wechselt. Gerne amerikanische Kurzgeschichten.« Und Ihr Lieblingskäse, Monsieur Gourmet? »Immer der Roquefort.«

Artikel vom 12.04.2007