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Aus eins mach zwei: Wie
eine neue Art entsteht

Biologen erforschen Feuersalamander bei Bonn

Bielefeld (sas). Wie Ulrich Schulte in den kommenden Wochen seine Nächte verbringen wird, ist keine Frage: Er wird, vor allem wenn es regnet, durch den Kottenforst bei Bonn streifen und Feuersalamander fangen. Mindestens 1000 dieser »Lurchis« wird er einen kleinen Chip unter die Haut schieben, der es ihm später erlauben wird, die Tierchen zu identifizieren.

Am Beispiel des Feuersalamanders untersucht der Biologe, Doktorand an der Uni Bielefeld, die Entstehung von Arten. Sein Projekt, das mit 121 900 Euro von der Volkswagenstiftung gefördert wird, setzt die Forschungsarbeit von Dr. Sebastian Steinfartz fort. »Uns interessiert, wann sich eine neue Art bildet. Ein Dogma in der Biologie lautet, dass die Artbildung unter räumlicher Trennung erfolgt. Wir glauben, dass sie auch erfolgt, wenn Tiere ein und dasselbe Habitat besetzen«, erklärt der Verhaltensforscher.
Im Kottenforst bei Bonn, einem abgegrenzten Waldstück, haben sie bereits zwei Typen von Feuersalamandern identifiziert. Sie unterscheiden sich in ihrem Verhalten: Der eine Typ legt seine Larven in fließendem, der andere in stehendem Gewässer ab. Die Ausdifferenzierung in zwei Arten ist noch in einem sehr frühen Stadium, gleichwohl gibt es bereits genetische Unterschiede. »Rein theoretisch könnten sich diese beiden Typen noch untereinander fortpflanzen. Tatsächlich geschieht das kaum«, sagt Steinfartz. Ihn interessiert, woran sich die Tiere erkennen, woher das Weibchen weiß, ob der männliche Lurchi der zu ihr passende ist.
»Wir denken, dass der Geruch eine Rolle spielt.« Um das zu testen, machen die Wissenschaftler Verhaltensexperimente mit den Tieren. Etwa 220 Exemplare sind in der Verhaltensforschung Zuhause, höchstselbst bei Bonn eingefangen, so dass Steinfartz und seine Mitarbeiter genau wissen, ob sie zum Typ gehören, der in einem Bach oder einem Teich die Larven absetzt. Der Test ist recht einfach: Den Weibchen wird die Partnerwahl überlassen und gefilmt. »In einem nächsten Schritt werden nun die chemischen Stoffe untersucht, die die Amphibien ausscheiden«, erklärt Steinfartz. Dafür wird ihnen keine Zehe gekrümmt: Sie werden nur in eine Box gesperrt, deren Luftvolumen über Filter analysiert wird.
Im Ergebnis will der Biologe, der schon in der dritten Klasse Molche hielt, die »sympathische Artbildung« beweisen - bislang kritisch gesehen und für unmöglich gehalten. Die Freiland-Beobachtungen von Ulrich Schulte sollen dazu dienen, die Bewegungsmuster und Ausbreitung der erwachsenen Tiere zu erforschen; sie sind mobiler, als bislang angenommen und hätten daher sehr wohl die Möglichkeit, sich »über Kreuz« zu vermehren. Außerdem will der Biologe Larven umsetzen, um zu beobachten, wie weit die genetische Veränderung sich auf das Verhalten - also die Wahl der ökologischen Nische - auswirkt.
Auch wenn der Salamander nicht das klassische Modelltier ist - im Gegensatz zu Maus oder Drosophila, deren Erbgut entschlüsselt ist -, erwartet Steinfartz, dass sich aus den Forschungsergebnissen allgemeine biologische Prinzipien ableiten lassen. »Es ist interessant, die Anpassungsfähigkeit an einen Lebensraum zu untersuchen.« Für Steinfartz ist die Ausprägung von zwei »Ökotypen« im Kottenforst eine Frage der Konkurrenz: Die wurde am Fließgewässer so groß, dass einige Feuersalamander zum Tümpel auswichen.

Artikel vom 13.04.2007