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Grüner  Tunnel gegen Raserei

Borgholzhausener »Rennstrecke«: Auf Schotterhaufen folgt Eichen-Allee

Von Marco Purkhart
Borgholzhausen (WB). Ausgerechnet die Farbe Grün soll Raser in Borgholzhausen (Kreis Gütersloh) künftig ausbremsen: Entlang des als »Rennstrecke« berüchtigten Berghauser Wegs setzt die Stadt auf 152 Eichen, die in 20 bis 30 Jahren als blühende Allee die Autofahrer mit dem Phänomen »Tunnelblick« einschüchtern sollen.

NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg stattete der Lebkuchenstadt gestern einen Besuch ab, um eigenhändig den letzten Baum einzupflanzen. Schließlich hatte sich Borgholzhausen erfolgreich für das landesweite Programm »100 Alleen für NRW« beworben. Die von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers höchst persönlich ins Leben gerufene Initiative verfolgt das Ziel, in NRW bis zum Jahr 2010 hundert neue Straßen-Alleen zur Aufwertung des Landschaftsbildes entstehen zu lassen.
Nach zwei frisch gepflanzten Alleen in Rietberg (ebenfalls Kreis Gütersloh) und einer im lippischen Wendlinghausen (bei Dörentrup) folgte in Borgholzhausen nun das vierte Baumprojekt, das in Ostwestfalen-Lippe umgesetzt wurde und das 29. in NRW - trotz Bedenken zahlreicher Autofahrer. Die befürchten nämlich, dass die Baum-Reihen entlang der Straße durch den Effekt des »Tunnelblicks« zu einem erhöhten Verkehrsrisiko führen könnten.
Ministerpräsident Rüttgers begegnete den Einwänden bei der Allee-Einweihung in Rietberg mit dem Ratschlag, sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung zu halten, statt die Bäume für Verkehrstote verantwortlich zu machen. In Borgholzhausen jedoch begrüßen die Verantwortlichen den Unmut der Raser sogar.
Denn der Berghauser Weg galt in der Vergangenheit als verhängnisvolle Verbindung zwischen Borgholzhausen und dem Nachbarort Dissen, auf der es immer wieder zu tödlichen Verkehrsunfällen gekommen war. Die Rennbahn-Zustände zwangen die Stadt sogar einst zu einer ungewöhnlich drastischen Maßnahme: Im August 1986 wurde die Verbindung nach Dissen durch einen Schotterhaufen auf der Straße rigoros abgetrennt - bis heute.
Obwohl der Berghauser Weg damit nur noch für den Anliegerverkehr genutzt werden sollte, gilt er noch immer als »heimliche Rennstrecke«, wie der Borgholzhausener Heimatverein-Vorsitzende Carl-Heinz Beune erläutert. »Kaum jemand hält sich an Tempo 50. Wir erhoffen uns neben dem ästhetischen Effekt einer schönen Allee auch, dass sie die Autofahrer vorsichtiger werden lässt, wenn die Bäume in ein paar Jahrzehnten ausgewachsen sind.«
Die Kosten für die 152 Stieleichen übernimmt indes komplett die Nordrhein-Westfalen-Stiftung, die das Projekt »100 Alleen für NRW« auch in anderen Kommunen fördert. 22 000 Euro kostete die Bepflanzung des 1,3 Kilometer langen Abschnitts, der damit eine Lücke schließt. Anwohner hatten nämlich bereits in den 1970er Jahren damit begonnen, auf einer Länge von 3,2 Kilometern zahlreiche Eichen zu pflanzen.
Die nächste ostwestfälische Allee soll am 30. April in Petershagen (Kreis Minden-Lübbecke) entstehen. »Alleen haben eine lange Tradition, wurden jedoch in der Vergangenheit immer wieder abgerissen«, sagte Minister Eckhard Uhlenberg gestern. Das große Ziel sei, NRW eines Tages in die von Mecklenburg-Vorpommern bis zum Bodensee führende »Deutsche Alleenstraße« zu integrieren.

Artikel vom 12.04.2007