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Die weiße Hexe von
Jamaika spukt noch heute
Eine 250 Jahre alte Gruselgeschichte lockt Touristen nach Montego Bay
Glaubt man den Spökenkiekern (und deren gibt es im südlichen Amerika wahrlich mehr als genügend), so ist »Rose Hall Plantation« auf ewig verflucht.
Dabei hatte es ganz harmlos begonnen, damals im Jahr 1750, als George Ash das Herrenhaus auf Jamaika, hoch über der Montego Bay, errichten ließ. 2000 Sklaven arbeiteten für den Briten auf dessen Zuckerrohrfeldern, doch Ash konnte sich seines Reichtums kaum erfreuen, denn er starb zwei Jahre, nachdem er »Rose Hall« fertiggestellt hatte.
Seine Witwe heiratete zwar noch drei weitere Männer, doch sie blieb kinderlos, und so erbte der Großneffe John Rose Palmer das Anwesen. Seine Hochzeit mit Annie Mae Pattison 1820 brachte dann das Unheil. Die zierliche kleine Frau wurde von den Sklaven »weiße Hexe« genannt, weil sie so brutal war.
Die junge Engländerin, aufgewachsen auf Haiti und von Voodoo-Priestern ausgebildet, hatte nur ein Ziel: Sie wollte reich werden. Nachdem sie John Rose Palmer eine Prise Arsen in den Kaffee geschüttet hatte, war sie Jamaikas bedeutendste Plantagenbesitzerin - zumal sie es schaffte, dass alle Welt glaubte, ihr Gatte sei an Gelbfieber gestorben.
Wer jedoch glaubte, Annie wäre nun zufrieden gewesen, irrte. Ihren zweiten Mann erstach sie im Schlaf und goss ihm siedendes Öl in die Ohren. Und trotzdem wurde das Opfer wieder als Gelbfieber-Toter bestattet. Des dritten Gatten ward sie ebenfalls schnell überdrüssig und ließ ihn von Takoo, ihrem Lieblings-Sklaven und Liebhaber, erwürgen.
Doch dann beging sie einen großen Fehler: Als sie eine Liaison mit ihrem Buchhalter einfädeln wollte, weigerte der sich, denn er war der Tochter von Takoo in Liebe zugetan. Als der Sklave davon erfuhr, brachte er die Weiße Hexe um - nach einer letzten heißen Liebesnacht.
Takoo floh in den Urwald, doch der Generalaufseher der Plantage spürte ihn auf, machte kurzen Prozess - und erschoss ihn standrechtlich. Annie wurde unterdessen im Garten des Anwesens bestattet.
Da es keinen Erben gab, fiel die Plantage an den britischen Staat, der verkaufte sie zu gleichen Teilen an drei Besitzer, die jedoch mit ihrem Eigentum nicht glücklich wurden. Denn schon nach kurzer Zeit stürzte eine Dienstmagd vom Balkon des Hauses zu Tode. Die Besitzer, über die blutige Vorgeschichte von »Rose Hall Plantation« aufgeklärt, machten sich in Panik aus dem Staub. 130 Jahre lang verfiel das Gemäuer, bis der Industrielle John Rollins aus Wilmington (US-Bundesstaat) Delaware das Haus entdeckte, restaurierte und mit passendem Mobiliar und wertvollen Tapeten ausstattete.
2,5 Millionen Dollar investierte Rollins - doch er traute sich nicht, auch nur eine Nacht in dem Haus zu verbringen. Stattdessen dürfen seit 1972 Touristen das Anwesen besichtigen. Einer von ihnen war ein gewisser Johnny Cash, seines Zeichens Country-Star in den USA - und er schrieb ein schönes Lied über »Rose Hall«. 1989 schließlich kamen Voodoo-Priester aus Haiti, nahmen Kontakt zu Annies umherirrender Seele auf, und sie gab alle Untaten zu.
Frieden fand die Weiße Hexe dennoch nicht: Sie spukt noch immer im Haus (sagen die Spökenkieker). Gerne taucht sie ganz unvermittelt auf den Fotos von Touristen auf, die dann Abzüge an die Verwaltung von »Rose Hall Plantation« schicken. Ob sie aber auch für fehlgeschlagene Bälle auf dem benachbarten »White Witch Golf Course« verantwortlich zu machen ist - das muss an dieser Stelle doch ernsthaft bezweifelt werden... Thomas Albertsen

Artikel vom 21.04.2007