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Bald goldene Zeiten für gute
Ingenieure in Deutschland

Prof. Hörstmeier: Nachfrage steigt -ÊZahl der Studierenden nimmt ab

Bielefeld (WB). Ingenieure werden knapp. »In diesem Jahr wird es erstmals mehr offene Stellen als Arbeitssuchende geben«, sagt Prof. Ralf Hörstmeier, Vorsitzender im Teutoburger Bezirk des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), im Gespräch mit Bernhard Hertlein.

Der Arbeitsmarkt für Ingenieure meldet 22 000 offene Stellen. Gleichzeitig sind aber 30 000 Ingenieure arbeitslos. Was ist da los?Hörstmeier: Die Gegenüberstellung dieser Zahlen täuscht. In Wirklichkeit zeichnet sich ein großer Fachkräftemangel ab. Natürlich ist die Zahl von knapp 30 000 arbeitslosen Ingenieuren noch zu hoch. Aber vor genau zwei Jahren waren es sogar 64 000. Ähnlich groß ist der Sprung bei den offenen Stellen von 13 616 Ende 2004 auf zwei Jahre später 22 086. Ich erwarte, dass die Zahl der offenen Stellen die der arbeitslosen Fachkräfte noch in diesem Jahr überschreitet.

Das heißt, Unternehmen und Stellensuchende kommen endlich zusammen?Hörstmeier: Immer mehr Unternehmen stellen wieder ältere Ingenieure ein -Ênicht nur, um Lücken zu füllen, sondern auch weil sie erkennen, dass ein Mix aus Erfahrung und neuen Ideen für ihren Betrieb das Beste ist. Innerhalb eines Jahres hat sich die Zahl der arbeitslosen Ingenieure, die älter sind als 50 Jahre, von 25 000 auf 15 000 reduziert. Mobilität ist allerdings für eine erfolgreiche Jobsuche Voraussetzung. Mehr als die Hälfte der offenen Stellen werden von Firmen in NRW, Bayern und Baden-Württemberg angeboten.

In welchen Branchen ist der Bedarf an Ingenieuren besonders groß?Hörstmeier: Fast ganz oben in der Angebotsstatistik der Arbeitsagenturen stehen die Maschinenbau- und Fahrzeugbau-Ingenieure. Das spiegelt sich auch in den Studierendenzahlen. Bei den Anfängersemestern haben Maschinenbau und Verfahrenstechnik im Jahr 2003 die Informatik überholt und stehen seitdem an der Spitze. An dritter Stelle folgt die Elektrotechnik, an vierter das Bauingenieurwesen. Dieses Verhältnis spiegelt auch etwa den Bedarf bei den Unternehmen wider.

Wie entwickeln sich die Studentenzahlen?Hörstmeier: Trotz der großen Nachfrage aus der Wirtschaft neuerdings leider negativ. In der Informatik seit dem Jahr 2000 und in den anderen Studienzweigen seit 2003 ist die Zahl der Studienanfänger rückläufig. Das ist noch nicht dramatisch. Aber die Tendenz ist doch eindeutig und gibt deshalb Anlass zur Sorge.

Wie kommt es zu diesem Rückgang?Hörstmeier: Schwer zu sagen, zumal unsere Fachhochschule in Bielefeld davon noch nicht betroffen ist. Die neu eingeführten Studiengebühren mögen dabei eine Rolle spielen; ebenso möglicherweise eine allgemeine Verunsicherung wegen der veränderten Studienabschlüsse.

Die Wirtschaft spricht neuerdings gern von der »Ressource Frau«. Steigt die Zahl der Ingenieurinnen?Hörstmeier: Ja, obgleich noch auf niedrigem Niveau. Von den insgesamt knapp 40 000 jungen Ingenieuren, die derzeit jährlich die deutschen Hochschulen mit einem Abschluss verlassen, waren zuletzt 8668 Frauen. Vor zehn Jahren waren es bundesweit 7564 von insgesamt knapp 50 000 Absolventen. In der Arbeitswelt ist allerdings erst jeder zehnte Ingenieur eine Frau. Es tut sich etwas. Aber es muss noch viel mehr geschehen. Das gilt auch für mien eigenes Fach. Es ist einfach nicht genug, dass sich der Anteil der Frauen unter den Maschinenbau-Studierenden hier an der Fachhochschule Bielefeld von 2002 bis 2006 von vier auf neun Prozent erhöht hat.
In keinem anderen vergleichbaren europäischen Land ist der Anteil der Frauen so niedrig. Die Wirtschaft tut einiges, um mehr Mädchen und junge Frauen für Technik zu interessieren. Ich erwähne da nur die vielen Aktivitäten rund um die bevorstehende Hannovermesse und den »Girl's Day« am 26. April. Im September veranstaltet der VDI in Bielefeld einen großen bundesweiten Kongress zum Thema »Frauen in Ingenieurberufen«. Fortschritte sind möglich, aber nur wenn auch die Politiker, Eltern und Schulen mitmachen.

Wie entwickelt sich die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und den Unternehmen?Hörstmeier: In Ostwestfalen-Lippe, wo insgesamt gut 20 000 Ingenieure beschäftigt sind, sehr, sehr positiv. Natürlich erhöht der sich abzeichnende Fachkräftemangel die Bereitschaft der Unternehmen, frühzeitig auf die Hochschulen zuzugehen. Vor allem jedoch trägt die vielfältige Vernetzung bis hin zum VDI und OWL Maschinenbau nun Früchte.

Artikel vom 12.04.2007