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Frankfurt bricht den
Fluch des Vorsprungs

In Bielefeld reicht endlich die Zwei-Tore-Führung

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Bielefeld (WB). Friedhelm Funkel »spielt« mit. Der Trainer der Frankfurter Eintracht rennt wie wild auf und ab. Schreit, gestikuliert, blickt auf die Uhr, schnappt sich den vierten Schiedsrichter. Zu oft hat er in dieser Saison schon qualvolle Nachmittage erlebt, um sich in den letzten Minuten entspannt auf seiner Bank zurückzulehnen.

Aber in Bielefeld konnte er sich auf seine Mannschaft verlassen. »Wir haben schon viermal mit zwei Toren geführt und nie gewonnen. Es wurde auch Zeit«, sagte der Trainer später, als die Zitterpartie mit 4:2 überstanden war.
Die Eintracht gilt als der größte Punkte-Verplemperer der Saison. Zuletzt hatten sich die Hessen auch von Schlusslicht Mönchengladbach in der Nachspielzeit noch den sicheren Sieg entreißen lassen. Dies passiert ihnen in eigenwilliger Regelmässigkeit. »Ich hätte nicht in unsere Gesichter blicken wollen, wenn wir es wieder nicht geschafft hätten«, reihte sich auch Heribert Bruchhagen in die Reihe der Bedenkenträger ein, die nach dem Bielefelder Anschlusstreffer zum 2:3 (82.) plötzlich ein Unentschieden fürchteten. Damit kennen sie sich aus in Frankurt, es sind schon 14. In den Schlussminuten ließ die Mannschaft gleich acht Zähler liegen. Der Vorstandschef räumte ein, dass ihm im Wiederholungsfall die Erklärungen ausgegangen wären, Bruchhagen wähnte sich nah an der Sprachlosigkeit: »Was ich dann noch hätte sagen sollen, ich hätte es nicht mehr gewusst.«
Für die Erlösung sorgte der eingewechselte Marcel Heller mit der letzten Aktion der Partie, der Hessen-Held aber hieß Ioannis Amanatidis. Zwei Bänderisse und weitere Verletzungen hatten den griechischen Nationalstürmer in Frankfurt vom rechten Torweg abgebracht, in der SchücoArena feierte er nun ein Comeback, dass vollständig zu Lasten der Arminen ging. Seine Treffer zum 1:0 und 3:1 dienten ihm auch als Argumente in der Diskussion mit Funkel. Der Trainer hatte auch noch auf seinen Torjäger verzichtet, als der sich schon wieder als befähigt für die Startelf hielt. Doch sein sportlicher Leiter wartete bis Bielefeld. Nach dem Abpfiff wurde der Zwist von Amanatidis artig zu den Akten gelegt: »Alles was war, habe ich gelöscht. Ich blicke nach vorn.«
Das Duell mit Funkel hätte der Spieler auch verloren. Vor dem Kellerkampf der Tabellennachbarn schickte er schon Albert Streit und Michael Thurk nach Hause. Sie blieben wegen akuter Formschwäche in Frankfurt. Als der Trainer seine beiden kleinen Stars ausmusterte, wusste er allerdings noch nicht, dass sich Abwehrchef Sotirios Kyrgiakos (krank) und Verteidiger Patrick Ochs (verletzt) abmeldeten. Christoph Preuß und Jermaine Jones fehlten ohnehin schon.
So blieb es dem letzten Eintracht-Aufgebot vorbehalten, endlich den Fluch des sicheren Vorsprungs zu brechen. Rücksicht auf seinen Ex-Klub konnte auch der Ostwestfale Bruchhagen nicht nehmen, das Mitleid fiel aus: »Bei einem direkten Konkurrenten zu gewinnen, ist besonders wertvoll. Das war ein schönes Wochenende für uns.« Der Mann ist jedoch kein Euphoriker, sondern vertritt vorsorglich immer einen kargen Realismus. »Wir haben 34 Punkte«, rechnete Bruchhagen vor, »drin bleibt man damit noch nicht.«

Artikel vom 16.04.2007