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Das Amt bereitet ihm sichtlich Freude

Papst Benedikt: »Ich bin nur ein einfacher, demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn«

Von Peer Meinert
Rom (dpa). Eigentlich hatte sich Joseph Ratzinger seinen Lebensabend etwas anders vorgestellt. Zurück in die Heimat wollte er, nach Regensburg, die letzten Jahre gemeinsam mit dem Bruder Georg verbringen. »Ich warte ungeduldig darauf, dass ich noch einige Bücher schreiben kann«, hoffte der Mann aus Bayern damals öffentlich.

Das war vor zwei Jahren - bekanntlich kam es anders. Die schwerste Bürde, die die katholische Kirche zu vergeben hat, wurde ihm in einem Alter aufgetragen, in dem andere Männer schon ein Dutzend Jahre in Pension sind. Am 16. April wird Papst Benedikt XVI. 80 Jahre alt. Das Amt bereitet ihm sichtlich Freude - leicht trägt er es dennoch nicht.
In den turbulenten ersten Tagen als Pontifex ließ der ansonsten so kühle »Kopfmensch« Ratzinger sich zu einer Art Bekenntnis hinreißen. Es waren bayerische Pilger, einfache Leute mit weiß-blauen Rautenfahnen, vor denen er seine geheimsten Gedanken während der Papstwahl offenbarte: »Als langsam der Gang der Abstimmung erkennen ließ, dass sozusagen das Fallbeil auf mich herabfallen würde, war mir ganz schwindelig zumute. Ich hatte geglaubt, mein Lebenswerk getan zu haben. Ich habe mit tiefer Überzeugung zum Herrn gesagt: Tu mir dies nicht an!«
So offen sprach Benedikt seitdem nie wieder über seine Gefühle, auch so viel Humor zeigte er seitdem nicht mehr.
Zwei Jahre steht der Mann aus Marktl am Inn an der Spitze von mehr als einer Milliarde Katholiken, einfach war die Zeit nicht. Lange nicht mehr ist ein Papst derart ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Ausgerechnet bei einer Rede an der geliebten Universität Regensburg trat der einstige Professor eine Lawine los. Es ging um das Thema Islam und Gewalt, und es war ein mittelalterliches Zitat, das in der islamischen Welt in einer Welle der Empörung in Gang setzte.
»Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, das er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.«
Wohlwollende Beobachter sprachen von einem »Betriebsunfall«, der vermeidbar gewesen wäre. Kritiker sprechen vom »Spiel mit dem Feuer«, der Papst hätte die Empfindlichkeiten in der muslimischen Welt einkalkulieren müssen. Allerdings: Eine Reise in die Türkei, ein stilles päpstliches Gebet in der Blauen Moschee in Istanbul fegte allen Gram unter den Muslimen hinweg. Die Reise in die Türkei wurde fast zu einem größeren Triumphzug als die Besuche in Bayern und beim Weltjugendtag in Köln im Sommer 2005.
»Es gab bisher manche Überraschung im Pontifikat Benedikts« meint ein Theologe in Rom. Die größte war sicherlich der Empfang des Schweizer »Romkritikers« Hans Küng. Kaum jemand in Rom hätte damit gerechnet, dass der einstige »Panzerkardinal« Ratzinger den schärfsten Gegner des »römischen Zentralismus« zur Plauderstunde lädt. »Doch man soll das nicht als Geste der Öffnung missverstehen.«
So gehen in Rom derzeit Spekulationen um, der Papst wolle demnächst per Dekret die traditionelle lateinische Messe, die seit dem 11. Vatikanischen Konzil (1962-1965) aus dem Alltag der Kirchengemeinden weitgehend verschwunden ist, wieder verstärkt gefeiert sehen.
Immerhin stand Kardinal Ratzinger mehr als 20 Jahre lang an der Spitze der Glaubenskongregation, war oberster Glaubensschützer, von Amts wegen zur Strenge verpflichtet. Unter »Progressiven« in Deutschland wurde er zum Buhmann, zum Symbol des verstockten Konservativen.
»Nicht alle Nachrichten, die aus Rom kommen, werden angenehm sein«, hatte er bei seinem Amtsantritt 1981 gesagt. Doch das Ausmaß der Kritik hat ihn nicht kalt gelassen, bekannte er einmal verbittert.
Der Aufstieg des Bayern, der schon als Bub »Kardinal« als Berufsziel angab, in der Kirchenhierarchie war rasant, aber eigentlich war es die Wissenschaft, nicht die Seelsorge, die ihn reizte. 1951 wurde der Sohn eines Gendarmeriemeisters zum Priester geweiht, mit 30 Jahren habilitierte er, wurde Dogmatik-Professor an der Freisinger Hochschule. Später lehrte er in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg. 1977 wurde er zum Erzbischof von München und Freising berufen, kurz darauf zum Kardinal.
»Seit Martin Luther hat kein Deutscher Gestalt und Gehalt der katholischen Kirche so stark geprägt wie Joseph Ratzinger«, urteilte ein Vatikankenner bereits vor Jahren. Es war der Mann aus Bayern, der als einer der ersten den Kampf gegen die »post-moderne Beliebigkeit« aufnahm. Gegen den Zeitgeist zu Felde ziehen, die Kirche vor flüchtigen Modeströmungen zu bewahren, das ist noch heute sein Anliegen.
Als Papst freilich agiert er ruhiger. »Benedikt ist kein Charismatiker wie sein Vorgänger Johannes Paul«, heißt es im Vatikan, kein »großer Kommunikator« wie der Pole. »Nach den aufwühlenden Jahren mit Karol Wojtyla ist er um Ruhe in der Kirche bemüht.«
»Ich bin nur ein einfacher, demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn«, rief Ratzinger den Gläubigen auf dem Petersplatz in der Abenddämmerung des 19. April 2005 zu, gut eine halbe Stunde, nachdem er zum Papst gewählt worden war. Das klingt nach der Bescheidenheit älterer Menschen, die um ihre Grenzen wissen. Schon damals hatte er mitunter von der »Lebensflamme, die immer kleiner wird« gesprochen. Doch statt Ruhestand, kam dann die schwerste Bürde.

Artikel vom 11.04.2007