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Terrorist will anderes Gericht

Erster Kofferbomber-Prozess - Angeklagtem drohen bis zu 25 Jahre Haft

Beirut/Kairo (dpa). Mehr als acht Monate nach den gescheiterten Kofferbomben-Anschlägen auf zwei deutsche Regionalzüge hat in Beirut der Prozess gegen einen der beiden mutmaßlichen Täter begonnen. Die Sitzung wurde aber nach nur acht Minuten auf den 18. April vertagt. Jihad Hamad hat die Anschläge gestanden.

Der Hauptangeklagte Jihad Hamad hatte vor Prozessbeginn gestanden, dass er in Köln am 31. Juli 2006 einen Sprengstoffkoffer in einem deutschen Regionalzug platziert hatte. Den Angeklagten drohen bis zu 25 Jahre Haft mit Zwangsarbeit.
Als Motiv für seine Tat gab Hamad Rache für die Veröffentlichung der dänischen Karikaturen des Propheten Mohammed an. Er behauptete, der zweite mutmaßliche »Kofferbomber«, der Libanese Youssef al-Hajdib, habe ihn zu dem Anschlag angestiftet.
Hamad wurde zusammen mit drei weiteren libanesischen Angeklagten zum Justizpalast gebracht: Chalid al-Hajdib, ein Cousin Youssefs, Ajman Hawwa, der islamistische Propaganda verbreitet haben soll, sowie Chalil Bubu, der mit einem langen Bart und in einem traditionellen Männergewand vor Gericht erschien, das fast nur noch von Islamisten getragen wird.
Der Prozess in Beirut wurde vertagt, weil die Polizei noch nach Saddam al-Hajdib, einem Bruder des in Deutschland inhaftierten Verdächtigen Youssef al-Hajdib, fahndet. Außerdem hat die Verteidigung eine Verlegung des Prozesses von der Hauptstadt Beirut in die Heimatregion der Angeklagten im Nordlibanon beantragt. »Ich bin in Tripoli festgenommen worden, deshalb muss ich auch dort vor Gericht gestellt werden«, sagte Hamad nach Angaben seines Anwalts Fawas Sakarija.
Als Hauptverdächtige gelten Hamad und der Libanese Youssef al- Hajdib, der in Deutschland auf seinen Prozess wartet. Die beiden jungen Männer sollen zwei Koffer mit selbst gebastelten Bomben in zwei Regionalzügen deponiert haben, die nach Koblenz und Hamm unterwegs waren. Die Sprengsätze waren nicht explodiert, weil sie fehlerhaft konstruiert worden waren.
Der Prozess findet im Libanon statt, da es zwischen der Bundesrepublik und dem arabischen Land kein Auslieferungsabkommen gibt. »Sie sind libanesische Bürger, ihr Prozess muss hier stattfinden, und sie müssen die Strafen, die möglicherweise gegen sie verhängt werden, hier verbüßen«, erklärte Generalstaatsanwalt Said Mirsa.
Das Strafgericht in Beirut stellte gestern zudem zwei weitere Haftbefehle aus: Gegen den in Deutschland einsitzenden Youssef al-Hajdib und seinen Bruder Saddam. Alle Verdächtigen in dem Verfahren sind Libanesen und sunnitische Muslime. Eine Verbindung der Männer zu einer internationalen sunnitischen Terrorgruppe wie El Kaida oder Hizb ut-Tahrir konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
Chalid Ibrahim al-Hajdib, ein älterer Bruder des in Deutschland inhaftierten zweiten mutmaßlichen »Kofferbombers«, steht jedoch nach Medienberichten im Verdacht, Kontakte zu radikalen Islamistengruppen zu haben.
Prozessbeobachter berichteten, Jihad Hamad sei in Jeans vor Gericht erschienen und habe mehrfach seiner Familie zugelächelt, die den Prozess im Gerichtssaal verfolgte. Anders als bei früheren Prozessen gegen Islamisten in Ägypten oder Jordanien rief keiner der Angeklagten anti-westliche Parolen oder »Allahu Akbar« (Gott ist groß).

Artikel vom 12.04.2007