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Himmelblaues
Arbeitstier ist
heute ein Star

Jörg Bentler liebt den 70er Transit

Von Michael Diekmann
und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). »Die ganze Welt ist himmelblau«, singt Jörg Bentler (44), wenn er mit ausladenden Bewegungen am großen Lenkrad die Fuhre über Land steuert. Himmelblau ist auch der Ford Transit des Heizungsbaumeisters: Baujahr 1969, alles original, erster Lack.

»Die Kunden lieben den knuffigen Oldie«, freut sich Bentler. Leider bekommen sie den typischen Lieferwagen der frühen siebziger Jahre nur selten zu Gesicht. Das H-Kennzeichen der Oldtimer verbietet laut Gesetzgeber den täglichen Einsatz, erklärt Bentler. Schade, schließlich gehörte der Wagen zunächst einem Feinmechaniker, der seiner ehrbaren Zunft in München nachging. Der Aufkleber »Niedermair Reich - München« prangt auch nach 38 Jahren noch auf dem vorderen rechten Kotflügel.
»Damals als Lehrling habe ich einen solchen Ford gefahren. Mein Vater hat immer auf die Transporter aus Köln gesetzt, hielt sie für robust und sicher, weil sie doch im Gegensatz zur VW-Konkurrenz den Motor vorn hatten - als zusätzliche Sicherheit im Falle eines Aufpralls«, erzählt Bentler über seine Motivation, sich so einen Oldtimer zu kaufen. Einfach Nostalgie eben. Und irgendwie passt der himmelblaue Traum aller Ford-Fans auf den Hof des Heizungsfachbetriebs an der Turbinenstraße, denn hier im Viertel am Lehmstich sorgen kleine Reihenhäuschen für englisches Flair. Und der Transit der zweiten Generation kam schließlich ab 1965 aus England, wurde in Southhampton und im belgischen Genk gebaut. Generationen von kleinen Handwerkern hat der Transit mobil gemacht, brav Lasten geschleppt, mit genügsamem Motor wenig Kraftstoff verbraucht und Jahre ohne einen Inspektionstermin ohne Murren absolviert.
Bentlers FT 100 hat es bis heute erst auf echte 73 000 Kilometer gebracht. Und er riecht stilecht wie die siebziger Jahre. Eine Prise Gummimatten, dazu die original hellbeigen Skaisitze, von Eingeweihten gern auch als »Hühnerleder« bezeichnet. Das Armaturenbrett ist in mattschwarzem Lack ausgeführt. Fehlt nur noch die Stullendose und die Thermoskanne, dann ist die Frühstückspause der Klempner fertig eingedeckt, die Zeitung eng gefaltet und am Einzelrundinstrument eingeklemmt. Die vorderen Dreiecksfenster halb geöffnet, damit der Qualm der Overstolz abziehen kann. Einen Blumengruß hat der Transit auch: Mitarbeiter haben die weiße Gerbera aus Plastik geschenkt, in die Vase im Cockpit gestellt. Daneben räkelt sich die Blondine im roten Bikini. »Fast Women« nennt Bentler sie liebevoll.
»Wir teilen alle die Macke mit den alten Autos«, ulkt Bentler. »Aber bei Werkzeug sind wir auf dem neuesten Stand der Technik.« In Bentlers Garage steht auch ein seltener Mercedes von 1953. Und Mitarbeiter fährt im Original Golf I (1983) zum Kunden.
Bentler startet den Motor. Gleichmäßig rund läuft der Transit: 1,5 Liter, 60 PS. Der V4 mit gegenüberliegenden Zylindern in V-Form, stammt aus dem Taunus und hat diesen V-typischen herben Unterton. Unter der Haube des großen Transit muss man den kleinen Motor suchen. »Alles ist wunderbar massiv und stabil«, schwärmt der Fahrer. Damit die Ventile auch beim nächsten Ausflug wunderbar schnurren, ist Bentler großzügig: »Ich spendiere ihm Super, das hat er gern . . .« Fast wie Lebertran.

Artikel vom 06.04.2007