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Sekten-Guru will vor Gericht schweigen

Montag beginnt Prozess um Kindesmissbrauch - Zeugen reisen aus Mittelamerika an

Von Christian Althoff
Detmold (WB). 13 Jahre, nachdem er ein Kind missbraucht haben soll, muss sich Sektenführer Arno W. (51) von kommendem Montag an vor dem Landgericht Detmold verantworten - zusammen mit seiner Ehefrau Julie (52).
Angeklagt: Guru Arno W. aus Oerlinghausen.
Ebenfalls angeklagt: Ehefrau Julie W.
Das mutmaßliche Opfer heißt Lea Saskia Laasner, ist 26 Jahre alt und Schweizerin. Anfang der 90er Jahre hatten ihre Eltern ihr bürgerliches Leben aufgegeben und sich mit Tochter und Sohn der Ramtha-Sekte von Arno W. angeschlossen. Ramtha soll ein Geistwesen sein, das seine Botschaften über Julie W. an die etwa 40 Mitglieder der Gruppe übermittelt haben soll. Die Sekte lebte in Portugal und zog dann ins mittelamerikanische Belize. Erst nach neun Jahren war Lea Saskia Laasner die Flucht gelungen.
In ihrem 2005 erschienenen Buch »Allein gegen die Seelenfänger« schildert die Frau, sie habe als Zwölfjährige Orgien Erwachsener miterleben müssen und sei als 13-Jährige zum ersten Mal von Arno W. missbraucht worden. Arno W. habe ihrem Vater gesagt, »das Ritual« diene »höheren Zielen«. Hugo Stamm, Sektenkritiker und Co-Autor des Buches, geht davon aus, dass die Sektenmitglieder glaubten, durch Riten höhere Bewusstseinsebenen erreichen zu können. Arno W. sei es aber wahrscheinlich nur darum gegangen, ein angenehmes Leben zu führen: »Die Sektenmitglieder arbeiteten auf der Farm, während der Guru im Bett lag und sich Videos anschaute.«
Nach ihrer Flucht in die Schweiz hatte die Frau Strafanzeige erstattet, doch ihr Heimatland erklärte sich nicht zuständig und gab den Fall nach Deutschland ab. Dort sind Arno W. und seine Frau in Oerlinghausen (Kreis Lippe) bei der Mutter des Gurus gemeldet - obwohl sie derzeit in Frankreich leben.
Staatsanwältin Christa Brinkforth-Pekoch hat Arno W. wegen neunfachen Kindesmissbrauchs angeklagt, dabei soll es in vier Fällen zum Beischlaf gekommen sein. Ehefrau Julie W. muss sich wegen Beihilfe verantworten, sie soll bei der Entjungferung des Kindes dabeigewesen sein. Arno W. und seine Frau werden von den Rechtsanwälten Rüdiger Weidhaas und Alexander Klein aus Ludwigshafen am Rhein verteidigt. Das Ehepaar, das mit einigen Sektenmitgliedern von Belize nach Frankreich übergesiedelt ist, war 2005 auf Weidhaas aufmerksam geworden, als der den TV-Moderator Andreas Türck (38) gegen den Vorwurf der Vergewaltigung verteidigt und einen Freispruch erreicht hatte. Auch in Detmold ist Weidhaas' Ziel ein Freispruch: »Möglicherweise gab es eine etwas asymetrische Liebesbeziehung, aber auf keinen Fall eine Vergewaltigung!« Arno W. werde nicht aussagen, kündigte der Verteidiger an, die Ehefrau werde jedoch »umfassende Angaben machen«.
In keinem Fall wolle man das Thema Sekte zum Gegenstand des Prozesses machen, sagte der Jurist. Auch für Miriam Stüldt-Borsetzky, die Detmolder Anwältin der Nebenklägerin Lea Saskia Laasner, ist das Sektenumfeld unerheblich: »Es geht um Kindesmissbrauch und sonst nichts!«
Zum Prozess werden Lea Saskia Laasners Vater Alexander und ihr Bruder Jan in dieser Woche als Zeugen aus dem 9200 Kilometer entfernten Belize anreisen. Anwalt Rüdiger Weidhaas sagte, man werde den Prozess nutzen, »um das zu widerlegen, was Frau Laasner in ihrem Buch und in Talkshows behauptet hat.« Dabei setzt der Anwalt auch auf den Glaubwürdigkeitsgutachter Prof. Max Steller aus Berlin, der Lea Saskia Laasner untersucht hat. Zwar bescheinigt der Experte der 26-Jährigen eine hohe Glaubwürdigkeit. Doch heißt es an einer Stelle der Expertise sinngemäß, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass einige Schilderungen der Frau erst durch die Zusammenarbeit mit Buch-Autor Hugo Stamm entstanden sein könnten.
Prof. Steller war auch Gutachter im Türck-Prozess - und hatte dort mit seiner Expertise die Grundlage für den Freispruch gelegt.

Artikel vom 10.04.2007