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Sie alle bleiben
Pfadfinder
ihr Leben lang

Ideal ist einfaches, natürliches Leben

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Wenige nur hätten es gewusst: Die Stadt Bielefeld mit ihren umliegenden Ortschaften ist eine Hochburg der Pfadfinder. Mehr als 500 Mitglieder in 15 »Stämmen« feiern in diesem Jahr ein doppeltes Jubiläum.

Denn am 22. Februar wäre Lord Robert Baden-Powell of Gilwell 150 Jahre alt geworden, und die Pfadfinder werden 100: Ihr erstes Probelager fand 1907 auf der Insel Brownsea statt. Längst hat die Idee auch in Deutschland Freunde gewonnen.
»Eine Vielfalt der Stämme wie in Bielefeld und die Einrichtung der Ehemaligen-Gemeinschaft suchen ihresgleichen«, sagt der pensionierte Bankdirektor Rudolf Neugebauer (72), der die Vereinigung der Ehemaligen 1999 aus der Taufe heben half. Nicht nur, dass Bielefeld und die umliegenden Ortschaften 15 »Stämme« beherrschen, Mädchen-, Jungen- und gemischtgeschlechtliche Gruppen, nicht nur, dass sich Katholiken, Protestanten, Freikirchler und gemischtkonfessionelle »Scouts« finden - die Ehemaligen haben alle an einen Tisch geholt. »In Bielefeld ist das 4. Gesetz, alle Pfadfinder sollten Brüder und Schwestern sein, Wirklichkeit geworden«, meint Neugebauer stolz.
»Meine Mutter machte mich vor Jahren auf die Pfadfinder aufmerksam, und obwohl mich die Uniform anfangs irritierte, war ich doch nach dem ersten Treffen Feuer und Flamme«, erzählt Matthias Glöckner. Der 22-jährige BWL-Student ist Stammesführer: »Ich leite die Christliche Pfadfinderschaft Ravensberg in Bielefeld-Mitte - unsere 60 Mitglieder bilden die einzige Jugendgruppe in der Neustädter Mariengemeinde.«
Die Neuen (sechs oder sieben Jahre alt) beginnen als Wölflinge (in reinen Mädchengruppen auch Wichtel). Wahlspruch: »Ich will mein Bestes tun!« Die Zwölfjährigen nennen sich Jungpfadfinder, ab 14 Pfadfinder; Wahlspruch: »Allzeit bereit!« Ab 16 ist man Rover oder Ranger und folgt dem gleichen Motto wie der Prince of Wales: »Ich dien'«. Wer das 21. Lebensjahr vollendet hat, gehört zur Älterenschaft. Dem Aufstieg in den höheren »Rang« geht eine Prüfung voraus, denn Pfadfinder sollen sich in vielen Dingen auskennen. »Protzen und saufen ist verpönt«, sagt Neugebauer. Zu den Grundelementen gehört vielmehr das einfache und natürliche Leben, also: Lager bauen, Geräte pflegen, kochen, die Natur erforschen, Bücher lesen, Musik machen, Sport treiben und vieles mehr.
»Wer vieles kann und bei den Pfadfindern Geist und Charakter gebildet hat, findet in aller Welt Freunde«, versichern Neugebauer und sein Bruder bei den Ehemaligen, Norbert Jahn (67). Baden-Powells Ideen faszinieren etwa 40 Millionen Pfadfinder in 200 Ländern. »Wir alle berufen uns auf wertvolle Traditionen, wollen aber nicht etwa Altes wiederbeleben, sondern uns dem Heute stellen.«
Wenn mehr Jugendlich diesen Idealen folgen wollten, wäre das in einer Welt der Ich-AGs gewiss nicht das Schlechteste. Wer mehr wissen möchte und Kontakte sucht, ruft einfach Rudolf Neugebauer unter der Nummer 0 52 05 / 2 17 51 an.
l Die ersten deutschen Pfadfinder trafen sich in München; Vorreiter war der Arzt Alexander Lion, der auch »Scouting for Boys« übersetzte. In Bielefeld gab es schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg zwei Stämme: den Deutschen Pfadfinderbund und die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg, der auch Rudolf Neugebauer angehört.
Nach Kriegsende gründeten sich sofort neue Stämme. Im Bielefelder Jugendring waren sechs Bünde vertreten; die heimische Jugendarbeit wäre ärmer gewesen ohne sie. Die Krise kam in den späten 60ern und 70ern, als der Mitgliedermangel fühlbar wurde. Trotz aller Widrigkeiten jedoch haben pfadfinderische Ideale und Lebensart bis bis heute nichts von ihrer Ausstrahlungskraft verloren.
»Wer einmal Pfadfinder war, bleibt es sein Leben lang«, versichert Neugebauer. Um so froher sind er und seine Brüder und Schwestern, dass sie im Jubiläumsjahr die Chance erhalten, sich stärker öffentlich zu präsentieren.

Artikel vom 06.04.2007