06.04.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Wort zum Sonntag

Von Pfarrer em. Hans-Jürgen Feldmann

Hans-Jürgen Feldmann ist Pfarrer im Ruhestand.

In der Passionsgeschichte geht es tumultuarisch zu, schrill und laut - bis Jesus am Ende sein Leben aushaucht. Da wird es totenstill. Die Erzählungen von Ostern dagegen sind - insgesamt und von Anfang an - leise und verhalten. In der Passionsgeschichte wimmelt es nur so von Menschen, erzählen die Evangelien jedoch von Ostern, sind jedesmal nur einzelne beteiligt. Unter dem Kreuz Jesu finden sich ganze Scharen Schaulustiger ein; bei seiner Auferweckung ist nicht ein einziger Zeuge zugegen. An seinem Tod gibt es nichts zu deuteln, sein leeres Grab aber ruft Entsetzen hervor, zumindest Ratlosigkeit. Und die Kunde, er sei auferstanden, wird zunächst einmal in den Wind geschlagen und als leeres Gerede abgetan.
Mit strahlendem Jubel feiert die Christenheit das Fest der Auferstehung des Herrn, doch die ersten Christen erlebten Ostern nicht sofort als einen triumphalen Sieg. Sie mußten sich erst an den Kern des Geschehens herantasten und dabei sogar innere Widerstände überwinden. Die Erzählungen darüber geben denn auch manches Rätsel auf. Unerklärlich bleibt zum Beispiel, daß der österliche Christus von den Seinen nicht immer sofort erkannt wird. Sie können ihn weder an äußeren Merkmalen wie Gestalt, Gesichtszügen, Stimme, Mimik oder seinen Wundmalen identifizieren noch an seiner Art, seinem Verhalten und dem Inhalt seiner Worte. Er bleibt verwechselbar, bis er von sich aus sein Inkognito lüftet und sich selbst zu erkennen gibt.
Die Ostergeschichten wurden und werden immer wieder als fromme Propaganda verdächtigt und abgetan. Sie sollten, so wird unterstellt, die Auferstehung Jesu als Tatsache hinstellen und davon ablenken, daß es sich nur um menschliche Erfindungen handele. In Wirklichkeit jedoch wären sie Hirngespinste oder - schlimmer noch - bewußt aufgetischte Täuschungen.
Doch träfe dieser Verdacht zu, hätten die Erzählungen dann nicht ganz anders aussehen müssen? Man hätte doch wohl alles als plausibel dargestellt und selbst die leisesten Zweifel sofort zu zerstreuen versucht. Denn zu den gängigsten Methoden einer erfolgreichen Werbepsychologie gehört doch wohl, daß man zumindest so tut, als sei man seines Produktes völlig sicher. Probleme damit einzuräumen, würde doch als kontraproduktiv gelten.
Offensichtlich aber halten die Osterevangelien gerade von dieser Art des Behauptens und Bezeugens nichts. Sie haben es, anders ausgedrückt, nicht nötig, so zu reden. Sie können es sich vielmehr leisten, ehrlich zu sein und Menschen zu schildern, die mit den Geschehnissen erst einmal ihre liebe Not haben und nicht zu fassen, zu erklären und in ihr Weltbild einzuordnen vermögen, was sich da ereignet hat.
Angesichts solcher Berichterstattung kann man entweder den Kopf schütteln, oder man wird um so hellhöriger, nachdenklicher und fragt sich: Was wird damit eigentlich gesagt, und was steckt dahinter? Verbirgt sich womöglich gerade in diesen Eigentümlichkeiten das Eigentliche? Ist vielleicht das Rätselhafte überhaupt der Schlüssel für die Sache selbst?
In der Tat, die Evangelien spekulieren und theoretisieren nicht darüber, was sich zu Ostern mit Jesus zugetragen hat. Sie lassen es das sein, was es ist: ein Geschehen ausschließlich zwischen Gott und seinem gekreuzigten Sohn. Es hat sich in der Stille ereignet und in einer Tiefe, in die niemand Einblick hat und die niemand letztlich zu ergründen vermag.
Aber es hat eine Wirkungsgeschichte ohnegleichen in Gang gesetzt, jahrtausendelang, weltweit. Von den Anfängen bis in die Gegenwart hinein hat der Glaube an den auferstandenen Herrn Jesus Christus Menschen mutig und stark gemacht. Sogar Verfolgungen und Hinrichtungen nahmen viele um dieses Zeugnisses willen auf sich. Denn der Auferstandene ist der Garant dafür, daß einen Menschen von der Liebe Gottes nichts scheiden kann, nicht einmal der Tod.

Artikel vom 06.04.2007