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»Ich hab' Oma nicht angezündet!«,
beteuert die Enkelin vor Gericht

25-jährige Modeverkäuferin wegen versuchten Mordes angeklagt

Von Christian Althoff
Detmold (WB). Kann eine Enkelin wirklich so skrupellos sein, dass sie am Bett ihrer schlafenden Großmutter Feuer legt, um die alte Frau zu töten? Nur weil sie ihrer Oma Geld gestohlen hat und nun eine Standpauke fürchtet?

Donnerstagmorgen im Landgericht Detmold. Ein Justizbeamter muss Dunja F. (25) stützen, als sie den Schwurgerichtsaal betritt und in ihren Pumps umknickt. Dann nimmt die blonde Frau mit den braunen Strähnen neben ihrem Rechtsanwalt Platz. Sie beginnt zu weinen und zu schluchzen und blickt mit gesenktem Kopf vor sich auf den Tisch - eine Haltung, die sie mit wenigen kurzen Unterbrechungen in den folgenden sechs Stunden beibehalten wird.
Staatsanwalt Christopher Imig will der 25-jährigen Detmolderin versuchten Mord an ihrer Großmutter Lina F. (88) nachweisen. Die Enkelin hatte im Herbst vergangenen Jahres mit der Scheckkarte ihrer Großmutter deren Girokonto geplündert und 7100 Euro abgehoben. »Als Ihre Oma den Diebstahl entdeckt hatte und es zur Aussprache kommen sollte, haben Sie sich ins Haus ihrer Großmutter geschlichen und im Schlafzimmer einen Wäschekorb angezündet!«, hält der Staatsanwalt der Angeklagten vor.
Doch Dunja F. will zur Tat nichts sagen. Stattdessen lässt sie von ihrem Strafverteidiger Dr. Detlev Binder eine Erklärung verlesen, mit der sie die Gelddiebstähle zugibt und den Mordversuch bestreitet: »Ich habe kein Feuer gelegt, und ich habe nicht versucht, meine Oma zu töten!« Ja, sie habe Geld abgehoben, und das tue ihr leid. »Ich schäme mich und bitte Oma um Verzeihung. Ich liebe sie doch!« Wofür sie das Geld gebraucht hat, will die Angeklagte aber nicht sagen.
Dunja F. - wer ist diese Frau? Nach der Realschule besteht sie ihr Fachabitur und lernt Steuerfachgehilfin, allerdings ohne die Abschlussprüfung zu machen. Als Einzelkind wohnt sie weiter bei ihren Eltern in Detmold und jobbt seit 2005 für 400 Euro als Modeverkäuferin in Bielefeld. Im Juni vergangenen Jahres kündigt sie, nachdem sie bei »H&M« ein Kleid gestohlen hat und mit ihrer Entlassung rechnen muss. Ihren Eltern spielt sie aber weiter die berufstätige Frau vor, die jeden Morgen das Haus verlässt.
Die verheimlichte Arbeitslosigkeit ist nicht die einzige Lebenslüge der jungen Frau. Ihr Freund (25) aus Bielefeld, mit dem sie seit zwei Jahren zusammen ist und der in Frankfurt studiert, sagt im Zeugenstand, er habe geglaubt, Dunja F. studiere Betriebswirtschaft. Auch einem Bielefelder Diskotheken-Geschäftsführer (25), der nach eigenen Angaben einige Nächte mit Dunja F. verbracht hat, hat die Detmolderin erzählt, sie sei Studentin. »Außerdem sagte sie, sie habe keinen Freund«, erklärt der Zeuge.
Am Abend des 22. November, wenige Stunden vor der Tat, telefoniert Dunja F. mit ihrem Freund in Frankfurt und erzählt, sie packe gerade Weihnachtsgeschenke für ihn ein. Dann trifft sie sich mit dem Bielefelder Diskotheken-Geschäftsführer, erklärt ihm aber sofort, dass sie nicht die ganze Nacht bleiben könne: »Sie sagte, sie müsse frühmorgens nach Detmold fahren, um ihre Mutter zur Arbeit zu bringen«, erinnert sich der Zeuge.
Tatsächlich fährt die junge Frau gegen 3 Uhr los. Etwas mehr als eine Stunde später steht das Schlafzimmer von Lina F. in Flammen. Ihr Sohn Wolfgang F. (59), der mit seiner Frau die darunterliegende Wohnung des Zweifamilienhauses bewohnt: »Wir schliefen, als meine Mutter die Treppe herunterkam und rief: Hilfe, Hilfe, es brennt!« Er sei sofort mit einem Eimer Wasser nach oben gestürmt. »Erst später habe ich mir meine Mutter angesehen«, sagt der 59-Jährige und versucht, die Tränen zu unterdrücken. »Die Haut hing ihr in Fetzen vom Gesicht. Ihre Arme und Hände - alles war verbrannt!« Lina F. kann bis heute nicht nach Hause zurückkehren. Die 88-Jährige liegt im vierten Krankenhaus und hat drei Hauttransplantationen hinter sich.
Nachdem Brandermittler der Kripo von den Gelddiebstählen erfahren hatten, war der Verdacht schnell auf die Enkelin gefallen. Erst hatte Dunja F. noch behauptet, die Nacht mit dem Diskotheken-Geschäftsführer verbracht zu haben, dann hatte sie zugegeben, doch frühmorgens nach Detmold gefahren zu sein: »Um aus meiner Wohnung Adventsbastelmaterial zu holen.«
Der Prozess wird am 20. April mit einem Ortstermin am Tatort fortgesetzt. Dann soll geklärt werden, ob Dunja F. unbemerkt ins Haus gelangen konnte.

Artikel vom 06.04.2007