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Die Bilder der flehenden Frau
lassen niemanden unberührt

Video: Entführer der beiden Deutschen im Irak stellen neues Ultimatum

Von Joachim Schucht
Berlin (dpa). Auch eher abgebrühte Experten reagierten schockiert. Die schlimmen Bilder von der weinenden, flehentlich bittenden Frau und ihrem schweigend daneben sitzenden Sohn vor dem gemusterten Wandteppich ließen niemanden unberührt.

»Bitter« sei es, zusehen zu müssen, wie zwei Menschen »erniedrigt und gedemütigt werden«, berichtete Außenamtssprecher Martin Jäger gestern von seinen Eindrücken aus dem Krisenstab.
Gegen 01.00 Uhr nachts war das zweite Video der Kidnapper auf einer islamisch-extremistischen Seite im Internet in Berlin entdeckt worden. Danach hätten einige in der Krisen-Runde »nicht mehr viel geschlafen«, teilte Jäger mit. Es gab erste Analysen und auch eine zumindest vorläufige Entwarnung. Immerhin spreche vieles dafür, dass die 61-jährige Hannelore Krause und ihr 20-jähriger Sohn Sinan noch leben.
Seit dem 10. März, als die »Brigaden der Pfeile der Rechtschaffenheit« erstmals ultimativ den deutschen Rückzug aus Afghanistan forderten und Hannelore Krause unter Tränen die Kanzlerin um Hilfe bat, hatte es kein Lebenszeichen von den beiden Deutschen mehr gegeben. Die Sicherheitsbehörden beunruhigte auch, dass die Kidnapper von sich aus keinerlei Kontakt suchten. Falls hinter der Entführung ein rein krimineller Hintergrund stecken sollte, könne es zum Kalkül der Täter gehören, den Preis für Lösegeldforderungen hochzuschrauben, lauteten die eher hoffnungsvolleren Spekulationen.
Doch nun verdichten sich die Hinweise, dass hinter dem Fall islamische Extremisten stecken, denen es vor allem auf politische Wirkung ankommen könnte. Dafür sprechen zumindest einige Auffälligkeiten. Das erste Video wurde kurz nach dem Bundestagsvotum für die Tornado-Entsendung nach Afghanistan publik gemacht. Die zweite Botschaft folgte jetzt wenige Stunden nach Entsendung der Maschinen an den Hindukusch.
Auch die professionelle Verbreitung ihrer Propaganda deutet darauf hin, dass die Täter eng mit den Sympathisanten in Deutschland oder Österreich Verbindung halten. Schon am Morgen war der »zweite Aufruf an die deutsche Regierung« in deutscher Sprache im Netz zu finden - übersetzt von einer »Abteilung für Fremdsprachen - Abteilung für Linguistik der Globalen Islamischen Medienfront«, wie es großspurig hieß.
Die dort im Namen »Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen« verkündete Absicht, die Frist für den Beginn des deutschen Abzugs aus Afghanistan um weitere zehn Tage zu verlängern, wurde mit konkreten politischen Erwartungen garniert. Das deutsche Volk habe angefangen zu reagieren und zu verstehen, dass der Truppeneinsatz in Afghanistan »ihm nur Katastrophen bringen wird«, stand in der Erklärung zu lesen.
Auch die wahrscheinlich nicht ohne Druck zu Stande gekommenen Verzweiflungsappelle von der Frau an ihre Kinder in Deutschland, die Öffentlichkeit zu mobilisieren und Protestmärsche zu organisieren, sprechen nach Ansicht von Terrorexperten dafür, dass es den Entführern auch um psychologische Kriegsführung geht: nämlich das Ziel zu erreichen, Bundesregierung und Bevölkerung wegen des Afghanistan-Einsatzes in offenen Konflikt zu bringen.
Ermutigt fühlen sich militante Extremisten in der Region durch den Fall eines in Afghanistan entführten italienischen Korrespondenten, der kürzlich gegen Freilassung von fünf Taliban-Führern ausgetauscht wurde. Trotz der emotionalen Betroffenheit deutet aber nichts darauf hin, dass die Bundesregierung nach ihren eindeutigen Erklärungen auf irgendwelche Rückzugsforderungen vom Hindukusch eingehen wird. Deshalb müssen die beiden Geiseln, für die sich anders als im Fall der beiden ebenfalls im Irak entführten und später freigelassenen Techniker aus Leipzig bislang keine Sympathiewelle in Deutschland geregt hat, wohl eher darauf hoffen, dass sich ihre Peiniger doch noch mit einem Lösegeld zufrieden geben werden.

Artikel vom 04.04.2007