14.04.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Beim schicken Dinner gibt's
regelmäßig Leichen
In Lippe wie auf der Sparrenburg: Hazy Hartlieb sorgt für Spannung bei Tisch
Die kalte Abreise ist jedem Hotelier unangenehm. Denn hinter dieser flapsigen Umschreibung verbirgt sich nichts anderes als der Tod eines Gastes.
Der Chef des Romantik-Hotels Arminius in Bad Salzuflen sieht das etwas anders. Christoph Blomeyer lässt jeden Monat einen Gast um die Ecke bringen - und kassiert von den Neugierigen dafür Eintritt.
Der Schrecken wird sogar kulinarisch umrahmt. »Six feet under« nennt Blomeyer die Selleriecremesuppe mit Roter Beete. Und wenn Gevatter Tod Einzug ins Haus hält, kommt passend auch ein Grabgesteck mit Trauerrosen vom gemeuchelten Räucherlachs auf den Tisch. Krimidinner nennt sich der wohldosierte Horror. Fünf Schauspieler inszenieren den Mord beim feinen Abendessen und klären ihn mit Hilfe ihres Publikums auf - spätestens nach dem Dessert.
Ob britisches Schlosshotel, Nobelherberge an der Alster, rustikaler Alpengasthof, Urlaubsdomizil am Mittelmeer oder eben lippisches Romantikhotel: Die Kombination von Kulinarik und Krimi wird immer beliebter. Hazy Hartlieb schätzt, das allein in Deutschland mehr als 100 Ensembles pro Jahr zum Einsatz kommen - vom Tourneetheater bis zur Laienspielschar.
Seine eigene Firma Galadinner & Engelservice sieht er als Marktführer. Und in der Tat schickt er derzeit die drei Krimis »Ein Leichenschmaus«, »Die Hochzeit in Schwarz« und »Der Spuk von Darkwood Castle« durch die Lande. In Ostwestfalen gastiert die Truppe außer im Hotel Arminius regelmäßig auch im Dörentruper Schloss Wendlinghausen und im Bielefelder Restaurant auf der Sparrenburg. Außerdem zeichnet Hartlieb auch für das Mafiadinner, einen kulinarischen Abend im Las-Vegas-Stil der 40er Jahre, und das Kreuzfahrt-Dinner (»Mit der MS Phantasie in vier Gängen um die Welt«) verantwortlich.
Das Genuss-Theater für alle sechs Sinne kommt bestens an. Hartliebs Bilanz: Je nobler das Haus, je distinguierter die Gäste, desto mehr Spaß haben alle am Abend. Denn die Schauspieler mischen schon vor dem Beginn des mörderischen Dinners die Gesellschaft auf und haben die Lacher garantiert auf ihrer Seite, wenn inszenierter Smalltalk oder Animation zur Pferdewette für Kurzweil sorgen. Und wenn dann Lord und Lady Lehmann oder der Clan der Lunks vom Butler eingeführt werden und ihre Plätze einnehmen, sind die Gäste bereits Teil der Inszenierung.
Tausendsassa Hartlieb ist ein mit allen Wassern gewaschener Bühnenprofi. Der Autor und Regisseur aus Essen arbeitet auch als Bühnenbildner, ist der kreative Kopf hinter Hella von Sinnens schrillen Overalls - und ein erklärter Fan von Edgar-Wallace-Krimis.
Nichts ist ihm mehr zuwider als das Erstarren in Routine. So fordert er von seinen Ensembles auch ständig Kreativität und Improvisation: »Unsere Stücke haben alle einen festen Rahmen, und natürlich läuft es immer aufs selbe Ende hinaus - aber was dazwischen passiert, lohnt allemal den mehrfachen Besuch.« Seine Truppe besteht durchweg aus gestandenen Schauspielern, die gewissermaßen gecastet werden. Hartlieb: »Wer sich als Dienstleister statt als Künstler versteht, hat bei uns keine Chance.«
Mit sicherem Auge erkennt die Profi-Truppe denn auch, wer im Publikum zu mehr berufen ist, als nur zu essen und zu genießen. Kleine Gastrollen werden an jedem Abend spontan vergeben, oberstes Prinzip dabei: Niemand wird der Lächerlichkeit preisgegeben oder muss sich ungewollt zum Affen machen. Und auch, wenn das Publikum durchaus aufgefordert wird, Tipps bezüglich der Identität des Mörders abzugeben: Das Krimidinner ist ein Schauspiel - und keine Quizshow. Thomas Albertsen

Artikel vom 14.04.2007