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Verhärtete Fronten im ukrainischen Machtkampf

Verfassungsgericht soll über Parlamentsauflösung entscheiden

Kiew (dpa/Reuters). Im ukrainischen Machtkampf haben sich die Fronten verhärtet. Nach der Auflösung des Parlaments durch den pro-westlichen Präsident Viktor Juschtschenko drohte Regierungschef Viktor Janukowitsch gestern mit vorgezogenen Präsidentenwahlen. Der pro-russische Präsident Viktor Janukowitsch (links) wurde gestern in Kiew von mehreren tausend Anhängern gefeiert. Er droht Viktor Juschtschenko jetzt mit vorgezogenen Präsidentenwahlen. Foto: Reuters

»Der Präsident hat einen großen Fehler gemacht«, sagte Janukowitsch vor mehreren tausend Anhängern, die vor dem Parlament (Oberste Rada) in Kiew gegen die Auflösung der Volksvertretung protestierten. Das Parlament, die Oberste Rada, forderte das ukrainische Verfassungsgericht zu einem schnellen Entscheid über den Präsidentenerlass auf.
Juschtschenko schloss bei einem Treffen mit dem pro-russischen Janukowitsch Gewalt zur Lösung des Machtkampfs aus. »Ich als Oberkommandierender werde keine Gewalt zulassen«, sagte der Staatschef nach Angaben des Präsidialamtes. Juschtschenko beriet sich auch mit den Leitern der Sicherheitsbehörden. Verteidigungsminister Anatoli Grizenko erklärte die Loyalität der Armee, ähnlich äußerte sich der Geheimdienst SBU.
Die Neuwahl des Parlaments hatte Juschtschenko in seinem Erlass vom Vorabend auf den 27. Mai angesetzt. Abgeordnete der Regierungsparteien tagten gestern trotz der verfügten Auflösung. »Regierung und Parlament werden bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichts über den Präsidentenerlass normal weiterarbeiten«, sagte Janukowitsch. Er verurteilte die Auflösung der Obersten Rada: Sie sei »gegen das ukrainische Volk gerichtet«.
Das Parlament hatte bereits in der Nacht das Verfassungsgericht angerufen, um Juschtschenkos Erlass überprüfen zu lassen. Die Abgeordneten der Juschtschenko-nahen Opposition blieben der Sitzung fern.
Der Präsident erklärte gestern alle Regierungsbeschlüsse aus der Nacht für ungültig, mit denen Janukowitsch sich dem Erlass widersetzt hatte. Das Parlament hatte unter anderem die Zentrale Wahlkommission für abgesetzt erklärt.
Oppositionsführerin Julia Timoschenko sagte, Juschtschenkos Entscheidung sei »der einzig richtige Schritt« gewesen. In der Obersten Rada habe sich eine »antidemokratische Koalition« unter Ministerpräsident Janukowitsch gebildet, deren Handeln die staatliche Unabhängigkeit direkt bedroht habe, hieß es in einer Erklärung. Die Verwaltungen mehrerer Regionen in der Westukraine stellten sich hinter Juschtschenko, aus dem Osten kamen Solidaritätserklärungen mit Janukowitsch.
Die Europäische Union (EU) äußerte sich besorgt über die Krise in der Ukraine. Die deutsche EU-Präsidentschaft rief die Verantwortlichen dazu auf, ihren Streit auf Grundlage der Verfassung und demokratischer Regeln beizulegen. Dazu seien Mäßigung und Kompromissbereitschaft aller Seiten erforderlich. Es sei zu hoffen, dass die Handlungsfähigkeit der Ukraine gewahrt bleibe und die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine nicht beeinträchtigt würden.
Die US-Regierung rief alle Parteien zu Ruhe und einem Verzicht auf Gewalt auf. Die Konfliktparteien sollten ihren Streit mit rechtsstaatlichen Mitteln austragen, heißt es in einer Erklärung des US-Außenministeriums. Die USA verfolgten die Vorgänge in der Ukraine mit Aufmerksamkeit. Russland bot an, im ukrainischen Machtkampf zu vermitteln.

Artikel vom 04.04.2007