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Ohne Chrysler könnte Daimler schnell wieder zum Spekulationsobjekt werden.

Leitartikel
DaimlerChrysler

Zetsche stellt
»Navi« auf
Scheidung


Von Bernhard Hertlein
Sehr aufschlussreich und sehr spannend war der Vortrag, den DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche in der vergangenen Woche in Gütersloh beim Bertelsmann-Forum gehalten hat. Das Wort »Chrysler« jedoch nahm er kaum in den Mund. Schon gar nicht äußerte er sich zur Zukunft des drittgrößten US-Autobauers. Das musste er auch nicht. Sein Thema war ein anderes. Heute, bei der Hauptversammlung in Stuttgart, wird Zetsche die prekäre Frage nicht so leicht umkurven können.
Dabei scheint es, als sei die Aufspaltung des Konzerns längst ins Navigationsgerät eingegeben. Im Februar erst hat Zetsche erklärt, die Abkopplung von Chrysler sei eine Option. Heute ist es die einzige Option - sieht man von der sehr unwahrscheinlichen Alternative einer Börsenfahrt der Autotochter ab. Die großen Fonds und viele Kleinaktionäre erwarten die Trennung. Der von den Chryslers, Jeeps und Dodges 2006 erwirtschaftete Milliardenverlust sei ein zu schweres Gepäck, heißt es. Auf sich allein gestellt seien die Unternehmen mehr wert. Unvorstellbar, dass Zetsche die Spur noch einmal wechselt.
Neun Jahre hat sich Chrysler an dem Leitstern in Stuttgart ausgerichtet. Die Vorbereitung der Hochzeit lief damals unter größter Geheimhaltung. Es war Jürgen Schrempps großes Kupplungsstück. Heute ist keiner mehr überrascht, wenn es zur Scheidung kommt. Die Eheprobleme sind öffentlich. Die große Frage wird sein, welchen Preis Zetsche vom Brautkäufer herausschlagen kann. Vier, sechs oder vielleicht gar neun Milliarden US-Dollar? Schon die Spekulationen darüber wecken Anlegerphantasien. Der Börsenkurs ging ab wie Fernando Alonsos Formel 1-Rennwagen.
So wichtig wie der Preis ist die Frage: Zu welchen Bedingungen trennt sich Daimler von Chrysler? Ein Abschied nach dem Motto »Nach uns die Sintflut und die große Entlassungswelle« löst nicht nur bei den US-Gewerkschaften Protest aus. Schmutzige Wäsche könnte die Strahlkraft des Sterns in den USA auf viele Jahre verdunkeln. In Situationen wie dieser erweist sich, ob Grundwerte gelebt werden oder nur auf dem Papier stehen.
Zetsche kennt die Problematik. Wohl auch deshalb weckt er keine Hoffnung auf schnellen Verkauf - selbst wenn die Börsianer sich noch so sehr darüber freuten.
In Stuttgart sollte man die Zeit nutzen, um noch einmal zurückzuschauen. 1998, vor der Hochzeit, wurde gemutmaßt, Deutschlands größter Industriekonzern, Daimler Benz, stehe vor der Übernahme oder Zerschlagung. Der Autokonzern sei allein zu klein, hieß es.
Ohne Chrysler könnte Daimler schnell wieder zum Spekulationsobjekt werden. Dem Aktienkurs täten solche Überlegungen sogar gut. Die Konzernführung aber könnte gelähmt, die Mitarbeiterschaft verunsichert werden. Wie schnell und vergleichsweise günstig Aktienpakete heute selbst bei einer sehr breiten Streuung an der Börse zusammengekauft werden können, hat gerade erst Porsche vorgeführt: Innerhalb kurzer Zeit ist die andere schwäbische Autoschmiede zum größten Aktionär der Volkswagen AG aufgestiegen.

Artikel vom 04.04.2007