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Das (böse) Beispiel könnte Schule machen

Die Standfestigkeit eines Teiles der Bielefelder Paul-Gerhardt-Gemeindemitglieder imponiert


Gedanken zum Paul-Gerhardt-Jahr äußert dieser Leser aus Anlass der Schließung und »Entwidmung« der evangelischen Paul-Gerhardt-Kirche in Bielefeld:
Den hervorragenden Leitartikel vom 26. März von Rolf Dressler mit dem Titel »Google, Luther, Paul Gerhardt« und Ihre Berichterstattung über den geplanten Verkauf der Paul-Gerhardt-Kirche - und das ausgerechnet auch noch im Paul-Gerhardt-Jahr zu seinem 400. Geburtstag! -Êhabe ich mit Interesse verfolgt. Eigentlich geht mich das Problem gar nichts an, dachte ich zunächst, denn ich bin katholisch. Aber dann hatte ich Angst, das (böse) Beispiel könnte Schule machen. Vielleicht kommen bald ja auch bei uns »Heuschrecken« mit dem Euro-Zeichen in den Pupillen auf den Gedanken, Kirchen zu verscherbeln, um damit die Sünden der Vergangenheit zu bezahlen.
Am meisten aber imponiert mir die Standfestigkeit eines Teiles der Paul-Gerhardt-Gemeindemitglieder, die vieles auf sich genommen haben, um »ihre« Kirche zu verteidigen, denn schließlich gehört ihnen das Gebäude ja nicht, sondern es ist das Haus Gottes. Dass sie sich deshalb als »Verrückte« beschimpfen lassen müssen und dies ohne Murren ertragen, dafür müssten sie für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen werden. Denn solche Menschen, die Rückgrat und Glaubensstärke zu bezeugen bereit sind, braucht unser Land - und eigentlich auch unsere christliche Kirche.
Ich bin nicht so bibelfest wie die meisten evangelischen Mitchristen. Aber da gibt es im Neuen Testament doch die Geschichte, wie Jesus die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben aus dem Tempel treibt. Was hätte er wohl mit einem gemacht, der gleich den ganzen Tempel hätte verkaufen wollen?
Bei den Auseinandersetzungen um die Bielefelder Paul-Gerhardt-Kirche sind vor allem Kirchen-Juristen zu Worte gekommen. Gibt es denn keine kirchlichen Theologen mehr, die in einer Kirche mehr sehen als nur eine ganz normale Immobilie, die man für Geld verhökern kann? Es kann doch nicht sein, dass ich ein Haus baue, es Gott weihe, damit er sein Zelt unter uns Menschen aufschlägt, und wenn es mir passt, es Gott einfach wieder wegnehmen, um es an einen anderen zu versilbern und den Erlös in den Tempelschatz zu legen. So eine ähnliche Geschichte gibt es im Neuen Testament auch, aber die handelt wohl vom Verräter Judas.
Doch auch im Alten Testament gibt es aufschlussreiche Textstellen, die eine andere Denkungsart zeigen. Da sagt im Buch Genesis (28, 17) Jakob nach seinem Traum: »Wie ehrfurchtgebietend ist doch dieser Ort: Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels - sein Name ist: Wohnung Gottes.« Und im Psalm 84 (2-3) lesen wir: »Wie liebenswert ist deine Wohnung, Herr der Heerscharen! Meine Seele verzehrt sich in Sehnsucht nach dem Tempel des Herrn.« Über Immobilien-Makler kann ich dort nichts lesen!
Und so wünsche ich unseren christlichen Geistlichen, den Weg zu finden, dass wieder mehr Christen in die Kirchen kommen, dann erledigt sich das Problem von allein und den Glauben zu vermitteln, anstatt zu verwalten, und die Liebe Christi vorzuleben, statt Kirchen zu »entwidmen« - welch fürchterliches Un-Wort. . . !
WOLFGANG WINKEL33609 Bielefeld

Artikel vom 10.04.2007