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Online-Kauf:
Reklamation
Jahre möglich

OLG Hamm stärkt Kundenrechte

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Millionen von Internet-Kunden können online bestellte Waren selbst dann noch beanstanden, wenn der Kauf schon Jahre zurückliegt. Eine verbraucherfreundliche Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm wird möglicherweise eine wahre Reklamationsflut in Internet-Shops auslösen.

Schuld ist wieder einmal das »Kleingedruckte«. Denn bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) steckt der Teufel im Detail. Nach dem Gesetz muss jeder Händler seine Kunden belehren, dass sie innerhalb einer bestimmten Frist das Geschäft widerrufen können, und ihnen auch mitteilen, wann diese Frist zu laufen beginnt.
Viele Online-Versender machen es sich einfach: »Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Ware und dieser Belehrung«, heißt es beispielsweise in den AGB von Deutschlands größtem Versandhändler, Otto. Konkurrent Neckermann formuliert es ähnlich. Laut Google-String-Suche ist der Satz »... frühestens mit Erhalt dieser Belehrung ...« auf 1,94 Millionen Web-Seiten zu finden.
In der Vergangenheit haben deutsche Gerichte diese Form auch für ausreichend gehalten. Mit dem OLG Hamm hat erstmals ein Obergericht die gängige Rechtsprechung gekippt und entschieden: Online reicht nicht, die Widerrufsbelehrung muss per Post zugeschickt werden.
Im vorliegenden Fall hatte ein Online-Shop-Betreiber einen Wettbewerber kostenpflichtig abgemahnt, weil dessen Belehrung »nicht hinreichend klar und verständlich, sondern sogar irreführend« sei. Die Richter gaben ihm Recht. »Angesichts der entscheidenden Bedeutung dieser Frist für den Verbraucher muss diese Information präzise sein.«
Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, »dass bereits diese vorvertragliche Information irgendwelche Fristen in Lauf setzen kann«. In der »lapidaren Ausgestaltung« der beanstandeten Fristenklausel fehle jeder Hinweis darauf, dass die eigentliche Belehrung des Käufers über sein Widerrufsrecht erst später in besonderer Textform erfolge und dass erst diese Belehrung den Fristenlauf auslöse, erklärten die Richter.
»Für Verbraucher, die Ware in einem Internet-Shop erworben haben, deren AGB die beanstandete Formulierung enthalten, läuft die Widerrufsfrist also unendlich lange«, erläutert die auf Internet-Recht spezialisierte Rechtsanwältin Carola Sieling aus Paderborn. »Sie können das Geschäft auch nach Jahren noch widerrufen.«
Ein Hintertürchen lässt das OLG Hamm Händlern allerdings offen: »Es ist auch zu beachten, dass im Hinblick auf die Bagatellklausel des Paragraphen Ê3 UWG nicht notwendig jeder Verstoß gegen die Belehrungspflichten wettbewerbswidrig sein muss.« Die Grenze zwischen Rechtsverstoß und Lappalie müssen die Gerichte dann wohl in jedem Einzelfall ausloten. Die vielen Millionen Privatverkäufer bei Ebay sind von der OLG-Entscheidung ohnehin nicht betroffen. (Az.: 4 W 1/07)

Artikel vom 06.04.2007