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Magisch-menschliches
Weltraum-Abenteuer

Deutsche Erstaufführung von Fibichs Oper »Der Sturm«

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Mit der deutschen Erstaufführung von Zdenek Fibichs Zauberoper »Der Sturm« schärft das Bielefelder Musiktheater in dieser Spielzeit erneut sein Entdecker-Profil. Das 1893/94 entstandene Werk nach William Shakespeares gleichnamiger Komödie wurde vom Premierenpublikum mit anhaltendem Applaus bedacht.

Der Weltraum, unendliche Weiten. Zur besten Fibich-Abenteuer-Musik zoomt Michael Heicks den Zuschauer im Google-Earth-Verfahren direkt in die Inszenierung hinein. In einer trichterförmigen Raumkapsel steht Prospero und klärt seine Tochter Miranda über die Umstände ihres Aufenthalts auf dem unbekannten Planeten auf. Nun ist die Zeit gekommen, Rache an seinen politischen Gegnern zu üben, die ihn und Miranda vor vielen Jahren verbannten. Mit Hilfe des Luftgeistes Ariel hat Prospero einen Sturm entfacht, der seine Widersacher an Land spült.
Damit ist das Plateau bereitet für die gruselige Läuterungsreise der Schiffbrüchigen, für die Entdeckung und Prüfung der Liebe zwischen Miranda und Fernando, für Kalibansche Emanzipationsversuche und Arielsche Dienlichkeit. Menschliches und Magisches, Ernst und Komik halten sich in der Inszenierung die Waage, mit der Intendant Heicks sein Bielefelder Opern-Regie-Debüt abgibt. Nahrung für Geist und Sinne bietet in kongenialem Einklang die Ausstattung, bei der das futuristisch-rationale Bühnenbild von Sandra Meurer und die fantastischen, geisterhaften Kostüme von Annette Breuer einen perfekten Grundakkord bilden.
Auf der musikalischen Seite ist das Werk nicht nur ausgesprochen eingängig und attraktiv im hochromantischen Sinne, sondern bei Gastdirigent Leo Siberski und den Bielefelder Philharmonikern in versierten Händen. Farbreich instrumentiert, findet Fibich eine klar verständliche Tonsprache für Phänomene wie Naturgewalt, Magie, Liebe, Verzweiflung, Intrige oder Hohn und Spott. Zwischen krachender Urgewalt und betörender Lyrik förderte Siberski im differenzierten Dirigat swingend-glitzernde Klangseligkeit zutage.
In einer ausgefeilten Charakterzeichnung lässt Heicks zudem jedem Sänger eine Paraderolle zukommen und damit eine Aufgabe, die das Ensemble mit bewährter Lust am Spiel aufgreift. So ist Meik Schwalm ein Prospero, der Nachdenklichkeit, Autorität, Güte und Selbstherrlichkeit problemlos in Einklang bringt und dies auch stimmlich mit baritonalem Schmelz unterstreicht. Das Liebeserwachen von Miranda (Melanie Kreuter mit warm timbriertem Sopran) und Fernando (Luca Martin lyrisch perfekt gerundet) ist bester Slapstick und wird nur noch vom Ganoven-Trio Trinkulo (Simeon Esper), Stefano (Mark Coles) und Kaliban (Jacek Janiszeweksi brilliert als Kreatur in voluminösem Bass-Facetten) übertroffen. Cornelie Isenbürger imponiert stimmlich wie wörtlich als höhenfester Ariel und der Chor (Hagen Enke) entfesselt Zauber ebenso wie menschliche Gefühle. Fazit: eine Bereicherung des Repertoires und ein absolutes Muss!

Artikel vom 02.04.2007