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Altes System neu entdeckt

Wie vor zehn Jahren: Ernst Middendorp setzt auf den Doppel-Flügel

Von Werner Jöstingmeyer
Bielefeld (WB). Die Euphorie kannte in der SchücoArena keine Grenzen. Doch Arminias Trainer Ernst Middendorp behielt auch im allgemeinen Freudentaumel einen kühlen Kopf: »Wir dürfen jetzt nicht in Zufriedenheit verfallen.«
Da strahlt auch der Trainer: Ernst Middendorp genießt den Erfolg. Foto: Stefan Hörttrich
Der knappe 1:0-Sieg gegen Borussia Dortmund schürte am Freitag Abend im ausverkauften Stadion wieder die Bielefelder Hoffnung, am Ende der Saison nicht auf einem der drei Abstiegsplätze landen zu müssen. Zumindest hatte Middendorp seinem Team schon mal die Lethargie und destruktive Grundhaltung ausgetrieben, die zuvor in Mainz und in Aachen das Schlimmste befürchten ließen.
»Ein intensiveres Spiel war erkennbar. Wir haben die Zweikämpfe angenommen und die meisten auch gewonnen«, lobte Middendorp seine Mannschaft. Dennoch bemängelte er die ersten zehn Minuten nach dem Seitenwechsel: »Da haben wir ein bisschen zu sehr zurückgesteckt.«
Eine neue Taktik, eine alte Strategie. Doppelbesetzung der Flügel hieß gegen Dortmund die Devise, die der Trainer unter der Woche hinter verschlossenen Türen einstudieren ließ. Zuma und der junge Amateur Tesche rechts, Kobylik und Böhme auf der linken Außenbahn unterstützten den zentralen Wichniarek. Dieses System hatte der Coach schon vor zehn Jahren in Bielefeld mit Reeb, Sternkopf, Reina und Maul praktiziert. Der Zweck heiligt die Mittel. Und die Arminen glaubten an ihre Chance.
Keeper Mathias Hain war glücklich, dass vor allem die Null als zweite Ziffer stand. Und er sparte nicht mit Komplimenten für den Kollegen Rüdiger Kauf: »Unglaublich, was Rübe vor der Abwehr abgegrast hat. Den musste man ja abknallen, damit er aufhörte zu laufen.« Die neue Sicherheit im Abwehrverbund erfreute auch Ernst Middendorp. Dass Heiko Westermann endlich wieder fehlerfrei blieb und an seine Glanzzeiten anknüpfte, erklärte der Trainer so: »Heiko hatte mit Radim Kucera einen starken Nebenmann an seiner Seite, um den er sich nicht groß kümmern musste. Deshalb konnte er sich auf sein Spiel konzentrieren.«
Middendorp, der intensive Beobachter und Provokateur. In den 14 Tagen seiner Beschäftigung zog der 48-jährige Fußball-Lehrer schon viele Register. Erst stellte er urplötzlich Arminias Torwart-Denkmal »Matze« Hain in Frage, um ihm letztendlich doch das Vertrauen auszusprechen. In der kommenden Woche will er sich Thorben Marx vorknöpfen. »Den Jungen habe ich aus seiner Berliner Zeit anders in Erinnerung. Ich muss mich mal mit Thorben eingehender befassen«, kündigte der Psychologe Middendorp.
Arminia hat's offensichtlich begriffen, wie man dem siebten Abstieg entrinnen kann. Selbst Torschütze Jonas Kamper, der sehr lange auf der Ersatzbank saß, gab zu: »Ich habe noch nie ein Spiel mit so vielen Zweikämpfen gesehen.« Später bedankte sich der Däne mit einem »Hammer« aus gut 26 Metern. Anschließend rannte Kamper los und war von seinen Teamgefährten kaum einzuholen. »Es war wohl die längste Distanz, die ich je nach einem Tor zurückgelegt habe«, grinste er verschmitzt. Dieses 1:0 hat Bielefeld glücklich gemacht und Dortmund in noch tiefere Depressionen gestürzt.

Artikel vom 02.04.2007