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Leerer Fleck im Faltenkleide

»Covers«: Prof. Uwe Göbel führt Kunst und die Ware »Buch« zusammen

Von Matthias Meyer zur Heyde und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Der heimische Fußballclub spielt gegen den Abstieg, die Bielefelder Kunst hingegen triumphiert in der Champions League: Die Ausstellung »Covers« belegt einmal mehr den hohen Rang der im Oberzentrum am Teuto wirkenden Kulturelite.

Von einer Renaissance-Madonna mit dem Kinde ist nur das faltenreiche Gewand geblieben - schwarzes Nichts gähnt, wo vordem Gesicht, Körper und Hände waren. Mit den Produkten eines bekannten Brillenfabrikanten, mindestens aber dem ĂŽuvre eines gewissen Kasimir Malewitsch spielt das »Feelmann«-Bild eines schwarzen Quadrats auf weißem Untergrund: Bis zum 15. Juli zeigt Uwe Göbel, Professor für Visuelle Kommunikation an der Fachhochschule für Gestaltung, in der FH-Bibliothek acht mannshohe Gemälde - die für Buchreihen stehen.
Qualität erschöpft sich nicht in l'art pour l'art, das Attraktive mündet nicht zwangsweise in die Gebrauchsgrafik: Uwe Göbel (53), der bei Willi Fleckhaus studierte, jenem legendären »Designer« der spektralfarbenen Suhrkamp-Edition, ist längst in den kleinen Kreis der führenden Bucheinbandgestalter aufgestiegen - daher der Ausstellungstitel »Covers«.
Der auf psychologische und therapeutische Themen spezialisierte Carl-Auer-Verlag (Heidelberg) löste sich von seiner optisch öden Anmutung, beauftragte 2004 den Bielefelder Künstler - und steigerte seinen Umsatz in nicht einmal drei Jahren um 20 Prozent. Und die C.H.Beck-Reihe »Wissen« (weit mehr als 200 Titel) bekam dank eines höchst variablen Quadrats made in Bielefeld ihr unverwechselbares Gesicht.
Am Anfang ist die Idee. »Ich spiele mit Flächen, Formen und Farbe, von dem vieles allerdings zunächst in der Schublade verschwindet«, sagt Göbel über den Start zum Tandemlauf von Kunst und Ökonomie. Dann läutet das Telefon: In Verlagskreisen kennt man den phantasievollen Gestalter. »Könnten Sie nicht . . .?« Und schließlich schmückt die Idee, wenn auch nicht 1:1 umgesetzt, einen Bucheinband - in der Schau wird deutlich, wie die Wege von der Kunst zur (Buch-)Ware verlaufen.
Pink der Hintergrund, niedlich das winzige Schmuckkästchen, forsch der »Ich«-Button darin. Der mutierte zum rosa Marzipanschweinchen - und hinter dem Cover verrät nun der Autor Hans-Christian Kossak, wie Prüfungsangst verfliegt und »Lernen leicht gemacht« funktioniert. »Meine visuellen Ideen passen oft, wenn auch zufällig, mit den Wünschen der Auftraggeber zusammen«, hat Göbel erkannt.
In der »Covers«-Ausstellung, die von Dr. Antje Kellersohn, Leiterin der Hochschulbibliothek, unter Mitarbeit von Marianne Joppien kuratiert wird, präsentiert Göbel acht Buchreihen. Er zeigt, wie aus einem bildschirmgroßen Entwurf über die taschenbuchformatige Gebrauchsgrafik das 1,18 mal 1,78 Meter große Gemälde wird. Ein Sternenhimmel, eine »Hot rock desaster area« zum Beispiel.
Hot was? »Ich bin ein Fan der Science-fiction-Phantasien von Douglas Adams«, gesteht Göbel, der absolut nichts von spröden Bildertiteln wie »XRL 1 bis 17« hält. »Mein Bild ist einem seiner skurrilen Einfälle geschuldet.« Spaciges Cover deckelt spekulative Familientherapie - »denn der Verlag muss ja im Ozean der jährlich 80 000 Neuerscheinungen auffallen«, sagt Göbel über den mörderischen Verdrängungskampf in den Regalen des Buchhandels.
Der Bielefelder FH-Professor hat gewiss 1500 Buchtitel gestaltet, und jedes Jahr kommen etwa 40 neue Entwürfe hinzu. »Kreativität hat aber auch stark mit Selbstzweifeln zu tun«, räumt Göbel ein. Vor allem, wenn sich Verleger, Autor, Lektor und Marketingchef vor ihm aufbauen und sagen, wir hätten gerne sowas wie die Konkurrenz da hinten, aber anders. Und vor allem besser.
Wie aber schafft es eigentlich ein kunstvoll gefaltetes Kleid, dem Maria und das Jesuskind abhanden kamen, auf ein Cover? »In der Kunst der Renaissance trat die religiöse Welt hinter die reale Welt der Fakten zurück.« Und so schließt sich der Kreis zum Wissenschaftsverlag.
Die Ausstellung, eine Fundgrube voller Anspielungen und Zitate, voller versteckter Hinweise und kulturgeschichtlicher Querverweise, ist montags bis donnerstags von 9.00 bis 17 Uhr, freitags bis 15.30 Uhr geöffnet.

Artikel vom 05.04.2007