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Tödliches »Koma-Saufen« mit
mehr als 50 Gläsern Tequila

16-Jähriger hatte 4,8 Promille und starb nach einem Monat in Klinik

Berlin (dpa). Mehr als 50 Gläser Tequila soll er an diesem Abend getrunken haben. Mit 4,8 Promille brach der Berliner Gymnasiast wenig später zusammen. Nach einem Monat im Koma starb der 16-Jährige nun in der Nacht zum Donnerstag an den Folgen eines Kreislaufversagens.

Es ist der traurige Höhepunkt der Serie von Alkoholexzessen mit »Kampftrinken« und »Koma-Saufen« unter Jugendlichen in Deutschland.
Seit Wochen wird bundesweit über die Verschärfung der bestehenden Gesetze zum Alkoholausschank diskutiert. Vor allem so genannte Flatrate-Partys, bei denen Kneipengänger zum Pauschalpreis so viel trinken dürfen wie sie wollen, gerieten in die Kritik. Die Bundesregierung lehnte jedoch erst am Mittwoch erneut schärfere Gesetze ab. Mit dem Tod des aus dem wohlhabenden Berliner Bezirk Zehlendorf stammenden Schülers werden jetzt vermehrt Stimmen laut, die den leichtfertigen Umgang mit Alkohol als Problem der gesamten Gesellschaft sehen. Zuletzt war am Wochenende ein 15-jähriges Mädchen bewusstlos mit 4,1 Promille in ein Krankenhaus gebracht worden. Vergangenes Jahr verdoppelte sich in der Hauptstadt die Zahl der Jugendlichen, die mit einer Alkoholvergiftung in eine Rettungsstelle kamen. Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat bundesweit bereits mehr als ein Drittel der 12- bis 17-Jährigen einen Alkoholrausch erlebt.
Eine Obduktion solle die genaue Todesursache klären, sagte Polizeisprecher Bernhard Schodrowski. Untersucht wird außerdem, ob andere Lokalbesucher oder der Wirt für den Tod des Jugendlichen mitverantwortlich sind, weil sie ihn nicht vom Trinken abgehalten haben. Laut Gesetz dürfen Bier, Wein und Sekt nicht an unter 16- Jährige, branntweinhaltige Getränke nicht an unter 18-Jährige abgegeben werden. Außerdem ist Wirten nicht erlaubt, an offensichtlich Betrunkene weiter Alkohol auszuschenken.
Der Tod des Gymnasiasten lenkt den Blick auf einen neuen Aspekt in der Debatte. Tatsächlich stammen viele der minderjährigen Trinker aus sozial höheren Schichten, wie die Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin mitteilte. Die meisten Kinder und Jugendlichen, die im Jahr 2005 wegen einer Alkoholvergiftung behandelt wurden, kamen aus den Bezirken Pankow und Steglitz-Zehlendorf. Aus den Problemstadtteilen Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg kamen dagegen die wenigsten.
Damit sind die jungen Menschen nicht allein. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, starben in Deutschland 2005 mehr als 16 000 Menschen an den Folgen ihres Alkoholkonsums. Das waren mehr als durch Selbstmord und Verkehrsunfälle zusammen. Damit steht die Bundesrepublik beim Alkoholkonsum auch im Vergleich der Industrieländer mittlerweile mit an der Spitze - jeder Bundesbürger kommt auf zehn Liter reinen Alkohols pro Jahr. »In einer Gesellschaft, in der man Alkohol trinkt, sollte man nicht so tun, als ob man Jugendliche tatsächlich so lange davon fern halten könne, bis es ihnen das Gesetz erlaubt«, sagte Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD). »Wir wissen, dass das, was passiert ist, nicht hätte passieren dürfen, wenn man sich an die Spielregeln, sprich auch Gesetze, gehalten hätte.« Die primäre Frage sei daher, ob bestehende Vorgaben eingehalten werden - »und wenn nicht, wie man dafür sorgt, dass sie entweder eingehalten oder kontrolliert werden«.

Artikel vom 30.03.2007