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Eine Botschaft, die die Augen öffnet

Besinnung zu Ostern - von Landeskirchenrätin Dr. Johanna Will-Armstrong

Landeskirchenrätin Dr. Johanna Will-Armstrong.

Der Herr ist auferstanden!« Mit diesen Worten begrüßen sich am Ostermorgen die Gläubigen der Orthodoxen Kirchen. Wie es die Frauen am Ostermorgen den Jüngern gesagt haben, sagt es auch nun einer zum anderen, und der antwortet: »Er ist wahrhaftig auferstanden!« Auch in vielen Gottesdiensten bei uns ist dieser gegenseitige Gruß am Ostermorgen inzwischen zu einem guten Brauch geworden. Aber bedeutet das Sprechen dieses Satzes auch, dass wir ihn mit dem Herzen glauben und seiner Botschaft vertrauen?
Wir modernen Menschen tun uns schwer mit dem Glauben und der Botschaft von der Auferstehung. Wir halten das unserem Wissen und unserer Aufgeklärtheit zu Gute. Aber auch schon vor 2000 Jahren waren Menschen davon überzeugt, dass das Leben mit dem Tod endet.
Die österliche Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi war und ist mit dem bloßen Verstand nicht zu fassen. Damals wie heute nicht. Um die Botschaft von Ostern zu verstehen, braucht es eine Wahrnehmung, die mehr sieht als die Oberfläche und das leere Grab.
Nicht unser Aufgeklärtsein, sondern unser Abgestumpftsein macht uns die Osterbotschaft unverständlich. Wer sich aber anrühren lässt von dieser Botschaft, der bleibt empfindsam für den Wunsch nach Leben, das uns dem Tod entreißt. Wer sich anrühren lässt von Ostern, der kann verwundert erkennen, wie Trauer sich wandeln kann in Trost und Getröstetsein. Und selbst das Leid kann gelindert werden.
Vor einigen Monaten habe ich das Buch »Schmetterling und Taucherglocke« gelesen. Es ist der Lebensbericht von Jean-Dominique Bauby. Er war der Chefredakteur der französischen Frauenzeitschrift »Elle«, ein witziger und schlagfertiger Journalist. Er liebte das Leben, und war seinen beiden Kindern Celeste und Theophile ein liebevoller und fröhlicher Vater.
Doch dann wurde dieses Leben von einer Minute zur nächsten völlig verändert. Ein Gehirnschlag hatte Bauby vollständig gelähmt, ihn unfähig gemacht nur ein Glied zu rühren, eine Silbe zu sprechen.
Bauby schreibt in seinem Buch von sich selbst wie von einem Menschen, der im eigenen Körper lebendig begraben war. Und für viele, die mit ihm täglich zu tun hatten und ihn pflegten, war er schon so gut wie tot.
Dann aber rührt ihn sein »Schutzengel« an, wie er es wahrnimmt. Die Therapeutin der Klinik erspürt die Möglichkeiten, die hinter der Krankheit stecken. Gemeinsam entwickeln die beiden, Kranker und Therapeutin, Methoden der Verständigung. Die Tür zum Leben öffnet sich nur einen Spalt weit, aber sie öffnet sich wieder.
Im Johannesevangelium wird uns erzählt, wie sich die Tür zum Leben wieder öffnet für Maria aus Magdala: Sie war Jesus gefolgt, nachdem er sie von ihrer Krankheit geheilt hatte. Jesu Tod scheint auch für sie das Ende zu sein. Weinend sitzt sie am Morgen des Ostertages vor seinem Grab. Sie hört die Osterbotschaft, die die Engel als Boten Gottes ihr sagen. Aber sie versteht nicht.
Sie sieht das leere Grab. Aber sie erkennt nicht, was es bedeutet. Tatsachen und Beweise überzeugen Maria nicht von dem, was an Ostern geschehen ist. Zum Leben angerührt und aus ihrer Trauer heraufgeführt wird sie von einem einzigen Wort: »Maria« sagt Jesus, und reißt sie damit heraus aus ihrer Trauer und ruft sie wieder zurück ins Leben.
Ich glaube, dass sich auch heute die Botschaft von Ostern so als wahr erweist: indem Menschen sich anrühren lassen von dem Wort, das das Schweigen bricht und aus der Lethargie befreit, von der Botschaft, die die Augen öffnet und die Zunge löst davon zu sprechen.
Der Herr ist auferstanden!« Dieser Gruß drückt den Wunsch aus, dass auch wir zum Leben angerührt werden. »Er ist wahrhaftig auferstanden!« Das wollen auch die antworten, die es noch kaum glauben können.

Artikel vom 06.04.2007