02.04.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Revanche nach zehn Jahren:
Maske tanzt den Ali-Shuffle

Einmalige Ring-Rückkehr und der endgültige Abschied in München

Von Oliver Kreth
München (WB). Der Mann suchte nach getaner Arbeit einen intimen Moment. Inmitten von 14 000 Zuschauern in der Olympiahalle und 16 Millionen vor dem Fernsehschirm. Drei Wochen hatte er seine Frau nicht gesehen. Nach Mitternacht gönnte sich Henry Maske mit seiner Manuela eine Auszeit - zwischen den Kommentatorenplätzen und den VIPs in den ersten Reihen um den Ring.

Sie alle hatte er überrascht. Selbst die kühnsten Träumer hatten das dem 43-Jährigen nicht zugetraut, dass er nach zehn Jahren, vier Monaten und acht Tagen ohne Wettkampf ein so einmaliges Comeback feiern könnte.
Die Urteile auf den Punktzetteln waren eindeutig. 117:110, 116:113, 117:110 stand da. Der US-Amerikaner Virgil »Quicksilver« Hill, der Mann der seine weiße Statistikweste beschmutzt hatte, war geschlagen. Derselbe Gegner, derselbe Ringsprecher, dieselbe Halle und dieselben Werbepartner auf den Hosen wie an jenem tränenreichen Tag im November 1996. Doch vieles war anders. Nicht nur die Musik.
»Die Revanche« trugen zwei »ältere Herren« aus, von denen einer seit dem 27. Januar 2006 Weltmeister im Cruisergewicht ist, der andere sich dagegen lange nur fit gehalten hat. Die Sorgen am Ring waren riesig, viele rechneten mit dem schlimmsten, ein Debakel wie bei Axel Schulz im Haller Gerry-Weber-Stadion fürchtete allerdings niemand. Einhelliger Tenor: Die Ringintelligenz des Gentleman sei dafür zu groß.
Nur in den ersten Runden merkte man Maske noch den leichten Ringrost an. Die rechte Führhand, dank der Maske vom 20. März 1993 bis zum 23. November 1996 Halbschwergewichtschampion war, fand ihr Ziel zu selten. Dagegen landete Hill einige Rechte an Henrys Maske. Doch mit der vierten Runde begann der Kampf zu kippen. Der letzte Hauch von Rheumasalbe war aus der ausverkauften Arena verflogen. Der Gentleman übernahm die Regie. Maske: »Ab Mitte der Distanz wusste ich, dass die Sache für mich läuft. Er musste kommen, ich konnte schlagen.« In der achten Runde stießen die Kontrahenten mit ihren Köpfen unabsichtlich zusammen. Hill zog sich einen Cut zu. Doch selbst wenn zu diesem Zeitpunkt der Fight abgebrochen worden wäre, Maske lag da klar vorn. Hill hielt durch und gab zu: »Henry hat verdient gewonnen.«
Direkt nach dem Schlussgong fiel die Konzentration von Maske ab - die reine Freude brach aus ihm heraus, dazu legte er noch einen Ali-Shuffle hin. Mit warmen Worten dankte er der Familie, seinem Manager Werner Heinz (»Ich bewundere seinen Mut, dass er dieses Risiko mit mir eingegangen ist«), Trainer Manfred Wolke und den Zuschauern: »Ihr habt mir heute die Zeit gegeben, den Kampf nach meinem Plan zu gestalten.«
Auch Wilfried Sauerland und sein einstiger Vorzeigeboxer hatten sich versöhnt. Der Promoter war gegen den Kampf, hatte Wolke zunächst das Coaching verboten, doch als er sah, wie Maske nicht mit Teddy Atlas klar kam, ließ er das Comeback des einstigen Traumduos zu. Er riet Maske aber auch nach dem Kampf: »Rasier dich, man sieht zu viele graue Haare.«
Maske dankte auch seinem Kontrahenten: »Als Virgil Weltmeister wurde, begann es bei mir zu kribbeln. Ich wollte wissen, ob ich es auch noch kann.« Nach dem Schlussgong frotzelten die beiden älteren Herren über eine weitere Revanche. »In zehn Jahren vielleicht«, sagte Maske.
Doch da wird seine Frau Manuela etwas dagegen haben. Die saß nämlich nicht unbedingt gelassen neben Schauspielerin Veronica Ferres. Ohne ihre Zustimmung hätte Maske nicht geboxt, und wenigstens ihre Aussage war in dieser Angelegenheit klar: »Das war es jetzt.« Und Henry Maske sollte auf sie hören.
Wie sagte er doch nach der erfolgreichen Vorstellung? »So einen Abgang hätte ich mir vor zehn Jahren gewünscht.« Seine Weste ist wieder weiß. Er sollte nicht versuchen, einen unmöglichen Traum, so hieß das Lied, das Sarah Connor für ihn sang, nochmals zu realisieren.

Artikel vom 02.04.2007