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Finanzamtsanfrage (aus Ralf Sikorski: »Wo bitte kann ich meinen Mann absetzen?«, Verlag nwb)

»Woher haben Sie eigentlich das Geld, mit dem Sie Ihre Steuern bezahlen?«

Leitartikel
Osterspaziergänge 2007

Was Johann Wolfgang sagen würde?


Von Rolf Dressler
»Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
im Tale grünet Hoffnungsglück, der alte Winter, in seiner Schwäche, zog sich in rauhe Berge zurück...
Überall regt sich Bildung und Streben, alles will sich mit Farben beleben...
Zufrieden jauchzet Groß und Klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein.«
Auch diese wundervollen Dichter-Verse des legendären »Osterspaziergangs« aus dem »Faust« erinnern immer wieder aufs Neue daran, welchen Schatz wir und mit uns die Welt Johann Wolfgang von Goethe zu verdanken haben. Ein hohes Gut, das es füglich zu hegen und zu pflegen gilt.
Das faszinierende Sprachgenie verfügte zugleich über eine gehörige politische Begabung: Goethes zweites Ich waren der Geheime Rat und Präsident der Finanzkammer zu Weimar. In diesem hohen Amt stand er der Obrigkeit seiner Zeit gern zu Diensten.
Was aber wohl würde J. W. G. empfinden und kritisch anzumerken haben angesichts der atemberaubenden Bocksprünge, welche die heutige staatliche Geldbeschaffungs-, Eintreibungs- und Umverteilungsmaschinerie vollführt? Wie zum Beispiel kämen ihm die Kassenwarte Eichel, Steinbrück & Nachfolgende vor, wenn dem 83-Millionen-Volk der Zahlemänner und -frauen, wie erst kürzlich wieder, ziemlich harsch bedeutet wird, dass auch die 50, 60 oder 70 Milliarden unverhoffter Zusatz-Steuereinnahmen ausgabentechnisch schon wieder zur Gänze und sogar darüberhinaus verplant seien? Tendenz: von der Hand in den Mund - Väterchen Staats altgewohnte Übung.
Trost verheißt da nicht einmal Ephraim Kishon (1924 - 2005). Auch er wusste sich nur noch mit trockener Ironie zu helfen: Die Einkommensteuer werde das kapitalistische System unvermeidlich zum Einsturz bringen.
Also dürfte selbst ein hoffentlich sonnig-milder Osterspaziergang allein, zu zweit oder mit der gan- zen Familie nur eine kurze Abschaltpause bringen. Denn unaufhaltsam rückt der 31. Mai näher, gefürchteter Stichtag für Millionen Abgabenentrichter, die sich bis dahin, um nur ja nicht säumig und nachzahlungspflichtig zu werden, durch den Formular-Dschungel ihrer Einkommensteuererklärung 2006 gekämpft haben müssen.
Wie ulkte doch ehedem bereits der amerikanische Journalist und Buchautor Ambrose Bierce (1842 - 1914): »Gerechtigkeit ist eine Ware, die der Staat dem Bürger in mehr oder minder verfälschtem Zustand als Belohnung für seine Treue beim Steuerzahlen verkauft.« Und der Bundesfinanzhof urteilte anno 1982 höchstrichterlich: Es sei »nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als 'dauernde Berufsunfähigkeit' im Sinne von § 16 Einkommensteuergesetz zu werten und demgemäß einen erhöhten Steuerfreibetrag geltend zu machen«. Auch sehr hübsch, aber wenig lustig.
Trotzdem und gerade deshalb: Allen Osterspaziergängern möglichst finanzamtferne Feiertage...!

Artikel vom 06.04.2007