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Jüdischer Kantor zeigt
Solidarität mit Besetzern

Christliches Gotteshaus nicht in Synagoge umwandeln

Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). Jakow Zelewitsch, Kantor der jüdischen Kultusgemeinden in Herford-Detmold, Minden-Lübbecke und Paderborn, hat den Besetzern der Ev. Paul-Gerhardt-Kirche gestern einen Solidaritätsbesuch abgestattet. Er ist dagegen, dass ein christliches in ein jüdisches Gotteshaus umgewandelt werden könnte.

Nicht alles dürfe unter finanziellen Gesichtspunkten gesehen werden, sagte Zelewitsch. Dazu gehöre auch das Schicksal einer Kirche. »Man stelle sich vor, wenn es umgekehrt ähnliche Absichten in einer jüdischen Gemeinde gäbe.« Zelewitsch betonte ausdrücklich, dass sein Besuch eine private Angelegenheit sei und nicht auf Initiative der Gemeindeleitungen erfolge, für die er tätig sei.
Der gebürtige Russe lebt seit 16 Jahren in Deutschland. Seit fünf Jahren ist er als Kantor tätig, davon auch ein Jahr in Bielefeld. Aus persönlichen Gründen habe er aber die Tätigkeit in der hiesigen Gemeinde aufgegeben.
Innerhalb der Bielefelder jüdischen Gemeinde war es in der Vergangenheit mehrfach zu Differenzen gekommen; zuletzt waren 40 Gemeindemitglieder nach Herford gewechselt. Sie hatten den autoritären Führungsstil der Vorsitzenden Irith Michelsohn kritisiert (das WESTFALEN-BLATT berichtete). Bielefelds jüdische Gemeinde steht in Verhandlungen über den Ankauf der Paul-Gerhardt-Kirche; sie möchte darin eine neue Synagoge errichten.
Der Besuch des Kantors belege, dass der Vorwurf des Antisemitismus, der gegenüber der Bürgerinitiative gegen den Verkauf der Kirche erhoben worden sei, jeder Grundlage entbehre, erklärte der frühere WDR-Journalist Eitel Riefenstahl, der sich den Besetzern angeschlossen hat. Zelewitsch überlegt jetzt, ein Konzert in der Kirche zu geben. Aus dem Kirchenkreis kamen unterdessen warnende Stimmen, die Religionen nicht weiter gegeneinander auszuspielen. Dort hält man an dem Plan fest, die Kirche, in der am Sonntag der letzte offizielle Gottesdienst gefeiert worden war, an die jüdische Gemeinde zu verkaufen.
Die Besetzer stellten unterdessen klar, dass ihr Vorschlag, neben der Paul-Gerhardt-Kirche könne ein Synagogen-Neubau errichtet werden, sich nicht auf das Spielgelände der evangelischen Kita bezogen habe, sondern auf eine weitere Fläche an der Kirche. Auch der Bevollmächtigtenausschuss der Neustädter Marien-Kirchengemeinde und der Kirchenkreis erklärten gestern, dass es keinerlei offizielle Überlegungen in diese Richtung gebe. Zudem sei die Bürgerinitiative nicht befugt, über das Gelände und ein Gebäude der Kirchengemeinde zu befinden oder Angebote zu machen.
Weil Strom, Wasser und Heizung in dem Kirchenbau abgestellt wurden, können auch verschiedene Krabbelgruppen das Gebäude nicht mehr nutzen. Ihnen werden Ausweichquartiere angeboten. Auch dieses Vorgehen wird von den Besetzern kritisiert. Hermann E. Geller: »Funktionierende Strukturen werden zerstört.«

Artikel vom 29.03.2007