29.03.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Vater in den Kopf gestochen

Schizophrenie: Täter in der Psychiatrie untergebracht

Bielefeld (uko). Weil er seinen Vater im Zustand der Schuldunfähigkeit mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt hat, ist ein psychisch kranker Bielefelder in der Psychiatrie untergebracht worden. Der junge Mann habe seinen Vater im Zentrum seines Wahnsystems vermutet, meinten gestern die Richter.

Martin B. (31, alle Namen geändert) erkrankte in seinem 16. Lebensjahr an einer unheilbaren paranoiden halluzinatorischen Schizophrenie. Das Leiden wurde jedoch erst vor wenigen Jahren erkannt. Seither kam es immer wieder zu Spannungen zwischen dem jungen Mann und seinen Eltern, die ihm seine Geistesverwirrung auch offen vorhielten.
2005 zog der Student der Naturwissenschaftlichen Informatik aus dem Elternhaus in Oldentrup aus und quartierte sich in einer Wohngemeinschaft an der Melanchthonstraße ein. Dort fiel er auch seinen Mitbewohnern aufgrund seiner eigentümlichen, abgeschotteten Lebensweise auf. Zudem imitierte Martin B., der im Nebenfach Robotik studierte, die Bewegungen von Menschenmaschinen.
Am 13. Februar 2006 fuhr B. im einem Akt der Verzweiflung zu seinem Elternhaus, weil er nach einem negativen Bescheid der Agentur für Arbeit seinen finanziellen Ruin fürchtete und seinen Vater dafür als Drahtzieher vermutete.
Arglos öffnete der Vater die Haustür, weil er seinem Sohn vertraute, der angeblich nach seinen im Haus verbliebenen Sachen schauen wollte. Als man das frühere Zimmer des Sohnes verlassen hatte, zog Martin B. zwei Schälmesser und stach mehrmals auf seinen Vater ein. Der 65-jährige Mann erlitt zunächst zwei klaffende Wunden an der Wange und am Hals, wobei ein Stich nur knapp die Halsschlagader verfehlte. Während des folgenden Gerangels jedoch gewann der Vater die Oberhand. Martin B. verließ das Elternhaus fluchtartig, stellte sich aber später der Polizei.
Er sei wütend auf seine Eltern gewesen, gestand der Beschuldigte gestern vor der 2. Strafkammer des Landgerichts. »Ich fühlte mich verfolgt und belästigt, denn sie hatten mich zuvor in die Psychiatrie einweisen lassen wollen.« Tatsächlich hätte er sogar den Tod seines Vaters in Kauf genommen, gab Martin B. gestern zu.
Im Verlauf des Prozesses zeigte sich Martin B. geläutert und versöhnte sich sogar mit seinem Vater. Ein Gutachter des Westfälischen Zentrums für Forensische Psychiatrie in Lippstadt-Eickelborn bestätigte denn auch die Besserung des Zustandes. Allerdings hielt der Sachverständige eine weitere Therapierung des Mannes - bei Aufrechterhaltung der Medikation im Rahmen einer »festen Struktur« - für unerlässlich.
Auf Antrag von Staatsanwalt Klaus Metzler, dem sich Verteidiger Friedbert Teutenberg im Sinne seines Mandanten anschloss, wurde daraufhin vom Landgericht die Unterbringung des Bielefelders in einer Klinik angeordnet.

Artikel vom 29.03.2007