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Mutterbilder zwischen
Spott und Zuneigung

Zwei Diplomanden verknüpfen Kunst und Gesellschaft

Von Matthias Meyer zur Heyde und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Kunst, die sich mit sozialen Themen befasst, muss raus aus dem Atelier, hinein ins pralle Leben. Und so stellen jetzt zwei Studenten der Fachhochschule für Gestaltung ihre Diplomarbeiten in der FH für Sozialwesen aus.

Natalja Banka (28) gewährt in 32 Zeichnungen Einblicke ins Leben und in die Persönlichkeit ihrer Mutter. Sjef Hoffmann (26) hat einen sechsminütigen Trickfilm über einen Fließbandarbeiter gemacht, der entlassen wird. Beide Arbeiten sind vier Wochen lang werktags von von 7.00 bis 19 Uhr im ersten Stock in Block C der FH an der Kurt-Schumacher-Straße zu sehen.
»Ich fürchte mich vor dem Tod meiner Mutter, blicke manchmal sehnsüchtig, manchmal wütend auf vergangene Mutter-Tochter-Situationen zurück und begreife meine Zeichnungen als Teil eines Verabschiedungsprozesses«, sagt die 1996 mit Mutter und Zwillingsschwester aus Lettland nach Deutschland übergesiedelte Diplomdesignerin. Ihre Mutter lebt heute in Wuppertal, weshalb der Bilderzyklus den Titel »Oberbarmen daheim« trägt.
Das Verhältnis der beiden Frauen scheint nicht frei von Irritationen zu sein. Einerseits beschreibt Natalja Banka die Porträtierte als »grotesk und unverwechselbar in Charakter und Aussehen«, wollte die 66-Jährige aber andererseits »mit poetischem Blick« darstellen, mit »Liebe und Spott«. Aus dieser Grundstimmung heraus sind ihr melancholische Porträts gelungen, sie hat ungezwungene Alltagssituationen leichterhand skizziert und distanzierende Blicke auf die triste Behausung im Wohnsilo geworfen.
Und auf ein Meerschweinchen. »Das ist jetzt gestorben - und so handelt meine Arbeit eher von der Verabschiedung eines Tiers, statt, wie geplant, vom Ablösungsprozess von der Mutter«, meint die junge Künstlerin mit dem ihr eigenen sardonischem Humor.
Aus dem Biographischen ins Gesamtgesellschaftliche: Es raucht der Schornstein, wenn der Arbeiter flexibel und - vor allem - immer verfügbar ist. Das Fließband surrt, und (wie in Charlie Chaplins »Modernen Zeiten«) rotieren die Zahnräder. Mittendrin der zur Nummer degradierte Malocher, der so lange Kartons faltet, bis das Band leerläuft. Gespräch beim Boss. Herr Soundso, Sie sind freigestellt.
»Ich spieße den modernen Manager-Sprech auf, der unangenehme Wahrheiten hinter Euphemismen und Anglizismen versteckt«, sagt Sjef Hoffmann über seinen Trickfilm »Combination«, in dem Shareholder Value und Globalisierungszwänge eine ungute Liaison eingehen. Die Musik tut das Ihre, den Verlust des Selbstwertgefühls in der - schon vorher gesichtslosen - Arbeitermasse zu betonen: ein pochender Beat, kalt, gefühllos und (natürlich) am Computer generiert.
Ein böser Film. Maliziös lächelnd. Und dadurch um so stärker unter die Haut gehend.
»Die Gesellschaft braucht solche sensibel auf das Leben reagierende Menschen wie die beiden hier ausstellenden Künstler«, sagte Prof. Jochen Geilen, der die Diplomprüfung abnahm. Dekan Prof. Kurt Johnen will künftig regelmäßig Ausstellungen mit sozial engagierter Kunst außerhalb der FH für Gestaltung präsentieren.
Johnen machte gestern auf ein weiteres Projekt aufmerksam: »Medien und Marketing« wird ein Schwerpunkt im Lehrplan der angehenden Sozialarbeiter und Sozialpädagogen. Aktuell werden die abweisenden FH-Gebäude mit Kunst (»Der vermessene Mensch«) verschönert, was das Wohlbefinden allgemein und die Identifikation der Studenten mit ihrem Lernort erhöhen soll.

Artikel vom 29.03.2007