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Paul-Gerhardt:
Kirche bestellt
Möbelwagen

Besetzer ohne Strom und Wasser

Von Gerhard Hülsegge
Bielefeld (WB). Der Streit um den Erhalt der Paul-Gerhardt-Kirche geht weiter. Am Tag Drei nach der Besetzung wurden gestern Morgen alle liturgischen Gegenstände aus dem Gotteshaus an der Detmolder Straße entfernt, Strom und Wasser abgestellt.

»Wir haben eine Fürsorgepflicht und bringen die Wertgegenstände unserer Gemeinde in Sicherheit«, rechtfertigte Pfarrer Menzel die vorher nicht angekündigte Aktion. Rolf Kriete, Kirchmeister der Gemeinde Neustadt-Marien, die 2005 mit Paul-Gerhardt fusionierte, packte selbst mit an, um das Keyboard, den Motor vom Orgel-Positiv (Gebläse), die Musikboxen aus dem Jugendraum, Noten und Bibeln, das Lesepult, die Altarbehänge, die Porträts früherer Pfarrer, die Weihnachtskrippe und nicht zuletzt das kleine Kreuz mit dem Gekreuzigten aus der Sakristei zu verladen. Abendmahls-Utensilien und Paramente (liturgische Gewänder) wurden wie auch alle Gesangbücher ins Gemeindehaus Am Papenmarkt geschafft.
Nur das große Kreuz in der Kirche, der im Boden fest verankerte Altar und der Taufstein sowie die Kirchenbänke wurden noch nicht demontiert. »Gottesdienste, die jetzt hier noch stattfinden, haben reinen privaten Charakter und werden nicht in Verantwortung der Evangelischen Kirche von Westfalen gefeiert«, betonte Kirchmeister Kriete mit Hinweis auf die Kirchenverfassung. Pastor Menzel bezeichnete die Besetzung der Kirche, um den Verkauf an die Jüdische Kultusgemeinde zu verhindern, erneut als widerrechtlich. Eine Räumung durch die Polizei sei nicht geplant.
Der Abtransport der liturgischen Gegenstände sei »keine Schikane«, sondern mit Superintendentin Regine Burg und Präses Alfred Buß abgesprochen gewesen. »Wir können auch à capella singen«, meinte Hermann E, Geller (66), Sprecher jener Bürgerinitiative, die die Kirche seit Sonntag besetzt hält (wir berichteten). Der Gottesdienst am kommenden Sonntag, 10 Uhr, werde deshalb wie geplant stattfinden.
Unbeeindruckt zeigte sich der ehemalige Kirchmeister der Paul-Gerhardt-Gemeinde auch vom »Großreinemachen«. Geller: »Ich freue mich schon jetzt auf den Tag, wenn sie alles wieder zurückbringen müssen, weil die Landeskirche eingesehen hat, dass die Fusion mangelhaft ausgeführt worden ist«. Nach der Rüge müsse die Verwaltungskammer der Evangelischen Landeskirche von Westfalen demnächst schließlich über die laufende Beschwerde entscheiden.
Deren Sprecher Andreas Duderstedt betonte gestern im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT, dass die »Kirchenoberen« nur Entscheidungen des Bevollmächtigten-Ausschusses von Neustadt-Marien als »Basis« umsetzten. Thomas Seidenberg, Mitglied der Gemeinde und FDP-Kreisvorsitzender, verwies unterdessen darauf, dass die fünf Mitglieder des Gremiums aus der Paul-Gerhardt-Gemeinde nicht umsonst zurückgetreten seien, sondern weil sie sich (von den sechs Mitgliedern von Neustadt-Marien) »über den Tisch gezogen« fühlten. Der Politiker forderte Pfarrer Menzel außerdem auf, sich für seine Äußerung, bei den Besetzern handele es sich um »Verrückte«, öffentlich zu entschuldigen.
Der Bevollmächtigtenausschuss der Neustädter Marien-Kirchengemeinde hat am Montag den Beschluss gefasst, dass unter den aktuellen Gegebenheiten der Kirchenbesetzung die Veranstaltungen des Paul-Gerhardt-Bezirks entweder im Pfarrhaus an der Diesterwegstraße oder im Gemeindehaus, Am Papenmarkt, stattfinden sollen. Zusätzlich wird ein Fahrdienst eingerichtet, der auch die Teilnehmer des heutigen Seniorennachmittages ins Gemeindehaus bringt.

Artikel vom 28.03.2007