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Deutliche Deutsch-Defizite

Hürdenbeim»Delfin-Test«derVierjährigen sind höher als erwartet

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Deutlich mehr Kleinkinder als vermutet haben Probleme mit der deutschen Sprache. Praktiker beobachten bei Vierjährigen an sozialen Brennpunkten erhebliche Rückstände gegenüber Gleichaltrigen.
Schon die erste Hürde beim Sprachtest ist hoch.

Eine Stichprobe der Arbeiterwohlfahrt Ostwestfalen unter 100 eigenen Kindertagesstätten ergab, dass schon die erste Hürde sehr hoch ist. Mehr als 25 Prozent der getesteten Kinder sind dabei auffällig. AWO-Fachberaterin Regine Henneken: »In einer Kindertagesstätte mit besonders hohem Migrantenanteil müssen sogar alle Kinder im Mai in die zweite Stufe.«
Schon beim Probelauf des »Delfin« genannten Verfahrens in Halle hatten sich einzelne Kinder total verweigert. In einer Spielsituation geht es um einen Zoo-Besuch, bei dem die Vierjährigen auf Veranlassung ihrer Erzieherin einfache Worte sprechen sollen. Am Ende müssen sie auch unsinnige Formeln nachsprechen. Beispiel: »Wenn der Teller glänzt, hüpft er in den Mittag«.
Regine Henneken überrascht das Schweigen so stark geforderter Kinder nicht. Etwa Migrantenkinder, die ohne Kenntnisse der deutschen Sprache im August in den Kindergarten gekommen seien, brauchten mitunter ein halbes Jahr des Schweigens und Zuhörens, bis sie erste Worte sagten. Erst nach einem Jahr beherrschten mache ganze deutsche Sätze. Türkischsprachige Erzieherinnen seien angehalten, vorwiegend auf Deutsch mit den Kindern zu sprechen. »Das gilt natürlich nicht, wenn ein Kind weinend in der Ecke sitzt«.
Das schon geläufige Wort von einer »riesigen Durchfallerquote« beruhe auf Missverständnissen, sagte gestern Professor Lilian Fried, Uni Dortmund dem WESTFALEN-BLATT. Der von ihr entwickelte Test sei zweistufig angelegt, um im ersten Durchgang kostengünstig zu erkennen, wer auf keinen Fall sprachliche Förderung benötige. Erst nach Einzeltests im Mai werde eine verlässliche Aussage über den Grad der Defizite unter den 180 000 Vierjährigen in NRW möglich. Sie rechne mit 15 Prozent, die Landesregierung vermutet, dass jedes vierte Kind vom Sommer an eine Sprachförderung erhält. Dafür sind 350 Euro pro Kind vorgesehenen.
Insgesamt stehen 15,7 Millionen Euro dafür bereit, dass künftig alle Kinder bei der Einschulung dem Unterricht folgen können. Dies sei jahrelang in NRW nicht der Fall gewesen, heißt es im NRW-Schulministerium. Generationenminister Armin Laschet: »Wer die Sprache nicht ausreichend beherrscht, lernt in der Schule zu wenig und hat geringere Chancen auf einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz.«

Artikel vom 27.03.2007