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Landeskirche unterstützt Umwandlung in Synagoge

»Nicht heute in Gebäude investieren, die morgen nicht mehr finanziert werden können«


Bielefeld (WB). Die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) steht hinter der Entscheidung, die Paul-Gerhardt-Kirche an die Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld zu verkaufen. In einer Mitteilung dazu heißt es:
Der entsprechende Beschluss ist in völligem Einklang mit dem geltenden Kirchenrecht zustande gekommen. Die Bevollmächtigten der Neustädter Mariengemeinde haben bei ihrer Entscheidung alle Vorgaben der Kirchenordnung beachtet. Sie haben sich im Bewusstsein der Basisverantwortung, die ihnen von der Gemeinde übertragen ist, für einen zukunftsweisenden Schritt entschieden.
Das führt zu Trauer über den bevorstehenden Verlust des Liebgewordenen und Vertrauten, Trauer, die notwendig ist und Respekt verdient. Der letzte Gottesdienst am 25. März hat dieser Trauer in würdiger Weise Raum gegeben. Aus dieser Trauer entstand auch der Versuch, die Paul-Gerhardt-Kirche auf Spendenbasis als Kirche zu erhalten. Wer die demographische und finanzielle Situation der vereinigten Neustädter Mariengemeinde und im Kirchenkreis Bielefeld nüchtern untersucht, wird aber feststellen müssen: Auf lange Sicht ist dieser Versuch nicht verheißungsvoll. Präses Alfred Buß: »Wir sollten nicht heute in Gebäude investieren, die morgen nicht mehr finanziert werden können. Solche Investitionen binden Ressourcen, die für die Arbeit mit Menschen dringend gebraucht werden.«
Die Umwidmung einer Kirche in eine Synagoge ist ein positives, konkretes Signal im Sinne der Kirchenordnung der westfälischen Landeskirche. Der Verkauf der Paul-Gerhardt-Kirche ist eine gute Möglichkeit, sich von einem Gebäude zu trennen und zugleich der Kirchenordnung zu entsprechen. Denn in Artikel 1 der Einleitenden Bestimmungen heißt es, dass die Evangelische Kirche von Westfalen auf den dreieinigen Gott vertraut, »der Himmel und Erde geschaffen hat, der Israel zu seinem Volk erwählt hat und ihm die Treue hält, der in dem Juden Jesus, dem gekreuzigten und auferstandenen Christus, Menschen zu sich ruft und durch den Heiligen Geist Kirche und Israel gemeinsam zu seinen Zeugen und zu Erben seiner Verheißung macht.« (Im Blick ist hier das Volk Israel als religiöse Gemeinschaft, nicht der Staat Israel.)
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die EKvW etwa so viele Mitglieder wie heute, aber halb so viele Predigtstätten. Entwidmet wurden bisher rund 20 Kirchen und weitere 45 Predigtstätten, in erster Linie Gemeindezentren. Von 1950 bis 1970 sind in Bielefeld mehr als zwanzig Kirchen gebaut worden.
Sechs Kirchen haben Gemeinden in den vergangenen Jahren aufgegeben, weitere werden folgen.

Artikel vom 28.03.2007