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Wo sich Generationen treffen

Jung und Alt unter einem Dach - Familienministerium sucht Mitmacher

Von Anna Herbst
Bielefeld/Paderborn (WB). Margarete Kaiser (79) sitzt im ruhigen Café am Bielefelder Heisenbergweg und spielt Karten. Drei alte Damen trinken Kaffee und genießen den Nachmittag. Plötzlich ist es mit der Ruhe vorbei: Elvis (12) und Zami (13) stürmen mit zehn anderen Jungen ins Haus. »Fußball, Fußball, wir wollen Fußball spielen!«.

Zwei Welten prallen aufeinander. Und genau so ist es gewollt. Dahinter stecken die Mehrgenerationenhäuser, ein ehrgeiziges Projekt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Es sollen Orte in jedem Landkreis geschaffen werden, an denen Menschen aller Altersgruppen zusammentreffen und sich mit ihren Fähigkeiten in die Gemeinschaft einbringen.
»Mehrgenerationenhäuser eröffnen Räume, die den Zusammenhalt der Generationen festigen«, sagt Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU). Das klappt auch am Heisenbergweg. »Die Kinder stören mich nicht, schließlich war ich auch mal jung«, meint Margarete Kaiser, und Zami findet die älteren Damen sogar »cool«.
Dabei sind die Mehrgenerationenhäuser keine Wohngemeinschaften, sondern offene Häuser, die Angebote für Jung und Alt bereithalten. Dieser alle Lebensphasen überspannende Ansatz ist eine Hauptanforderungen an ein Mehrgenerationenhaus. Als Treffpunkt muss ein Café vorhanden sein. Kinder sollten betreut, die Wirtschaft mit einbezogen und ein Austausch von Informationen und Dienstleistungen geschaffen werden. »Wir versuchen herauszufinden, was gefragt ist und gehen auf die Wünsche ein«, sagt Marianne Damaschke, Leiterin des Bielefelder Mehrgenerationenhauses.
In Zeiten, in denen alte Familienstrukturen zunehmend verschwinden und Kinder, Eltern und Großeltern oft nicht mehr in unmittelbarer Nähe zueinander leben, sollen die einzelnen Altersgruppen in den Mehrgenerationienhäusern von einander profitieren. »Unser Ziel ist eine Drehscheibe für Dienstleistungen, die Menschen verschiedenen Alters wirklich brauchen«, sagt von der Leyen.
In Paderborn und Bielefeld ist das bereits Alltag. Zwei Einrichtungen wurden zum Mehrgenerationenhaus ernannt und erhalten nun die damit verbundene Förderung des Bundesfamilienministerums in Höhe von 40 000 Euro jährlich. Das Haus der Arbeiterwohlfahrt in der Paderborner Leostraße ist seit 2004 eine Begegnungsstätte für Jung und Alt. Mit dem Titel werden die Angebote jetzt ausgeweitet und dem Konzept der Mehrgenerationenhäuser angepasst.
Haupt- und Ehrenamtliche organisieren Singkreise, Spielenachmittage und Großveranstaltungen mit Tanz. Senioren helfen jungen Müttern beim Kochen, Jugendliche geben Handykurse für Ältere und naturkundige Rentner ziehen mit Kindern in den Wald, um Tiere und Pflanzen zu erklären. Sportbegeisterte halten sich mit Yoga und Gymnastik fit. Und wenn alles gut geht, gibt es in Zukunft einen Notfall-Betreuungs-Dienst für Familien. Außerdem kooperiert das Mehrgenerationenhaus mit Firmen, die sich bereit erklären in den Wohnungen von älteren Menschen kleinere Reparaturarbeiten zu günstigen Preisen zu übernehmen.
Zurück in Bielefeld toben Zami und seine Freunde beim Fußball während Zuwanderer im Haus deutsche Vokablen büffeln. Die Theatergruppe probt für den nächsten Bühnenauftritt und Menschen, die neue berufliche Wege gehen wollen, lassen sich im Coaching-Café beraten. Ein Nachtcafé, in dem Demenzkranke auch in den Abendstunden betreut werden, ist in Planung.
Das Bundesfamilienministerium fördert insgesamt 439 Mehrgenerationenhäuser, eins in jedem Kreis und in jeder kreisfreien Stadt. Noch sind nicht alle Kreise dabei. Einrichtungen aus den Kreisen Herford und Höxter können sich noch bis zum 11. Mai bewerben. Infos unter:
www.mehrgenerationenhäuser.de

Artikel vom 27.03.2007