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Historische Einigung in Belfast

Protestanten und Katholiken wollen gemeinsam regieren und Macht teilen

Belfast (Reuters/dpa). Nach fast fünfjähriger britischer Zentralherrschaft wird Nordirland wieder eine eigenständige Regierung erhalten.
Die verfeindeten Parteien Sinn Fein und Democratic Unionist Party (DUP) erzielten gestern nach jahrelangem Streit einen Durchbruch und einigten sich auf eine Machtteilung. Die Regierung soll am 8. Mai ihre Arbeit aufnehmen und voraussichtlich vom Vorsitzenden der protestantischen DUP, Ian Paisley, geführt werden.
In einem historischen Schritt war Paisley gestern erstmals direkt mit dem Chef der katholischen Sinn Fein, Gerry Adams, zusammengekommen, um das Abkommen zu besiegeln. Adams sagte, die Einigung markiere den Beginn »einer neuen Ära, was die Politik auf der Insel angeht«. Der britische Premier Tony Blair begrüßte die nach zähem Ringen erreichte Einigung und sprach von einem »wichtigen Tag für das Volk von Nordirland«.
Sein irischer Kollege Bertie Ahern sagte, das Abkommen habe das Zeug dazu, die Zukunft der gesamten irischen Insel zu verändern. Die Parteispitzen kamen kurz vor Ablauf eines von der britischen Regierung gesetzten Ultimatums überein. Paisley hatte ein persönliches Treffen mit Adams auf Grund von Sinn Feins Verbindung zur extremistischen Untergrundorganisation IRA zuvor stets verweigert und die Vertreter der katholischen Minderheit in der Provinz als »Terroristen« bezeichnet. Trotz des Durchbruchs konnten sich die langjährigen Widersacher nicht zu einem Händedruck durchringen.
In dem von Symbolik geprägten Annäherungsprozess wurde es allerdings schon als Fortschritt gewertet, dass sich Adams und Paisley an einen Tisch gesetzt hatten. Der 80-jährige Protestantenprediger Paisley, der einst für seine Brandreden gegen die nordirischen Katholiken berüchtigt war, sagte nach der Einigung: »Wir dürfen nicht zulassen, dass die Schrecken und Tragödien der Vergangenheit unseren Kindern eine bessere und stabilere Zukunft verbauen.« Die britische Regierung hatte den rivalisierenden Gruppen bis gestern Zeit gegeben, zu einer Einigung zu kommen. Die Machtteilung soll den Weg zur Übertragung der britischen Regierungsgewalt über die Unruheprovinz auf eine Anfang März gewählte Regionalversammlung freimachen.
Bis zum Beginn der Selbstverwaltung in sechs Wochen soll es zwischen den beiden größten nordirischen Parteien nun eine Serie von weiteren Treffen geben, in denen es um das Regierungsprogramm und die Verteilung der Ministerposten geht. Fest steht bereits, dass der Sinn-Fein-Politiker Martin McGuinness, ein ehemaliger Kommandeur der Untergrundorganisation IRA, Vizeregierungschef werden soll.
Mit einer gemeinsamen Regierung könnte der Friedensprozess zum Abschluss geführt werden, der 1998 mit dem so genannten Karfreitagsabkommen eingeleitet worden war. Die Vereinbarung beendete weitgehend 30 Jahre Gewalt zwischen protestantischen und katholischen Extremisten, der 3600 Menschen zum Opfer gefallen waren. Nordirland stand seit 1999 bereits zwei Mal unter Selbstverwaltung. Im Oktober 2002 löste Großbritannien die parlamentarische Versammlung wegen Spannungen mit der Sinn Fein auf. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 27.03.2007