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Ein letzter
Gottesdienst
voller Wehmut

Abschied von Paul-Gerhardt-Kirche

Von Matthias Meyer zur Heyde und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). »Befiehl dem Herrn deine Wege«: Diese Worte aus Psalm 37 standen leitmotivisch über dem letzten Gottesdienst in der Paul-Gerhardt-Kirche. Vor dem Gotteshaus protestierten die Mitglieder der Bürgerinitiative, die den Verkauf an die Jüdische Kultusgemeinde nicht hinnehmen will.

Im Anschluss an den Gottesdienst wurde die Kirche besetzt. »Wir nehmen eine Klage wegen Hausfriedensbruch in Kauf«, erklärten die beiden Vorsitzenden der Bürgerinitiative, Richter Claus-Rudolf Grünhoff und Hermann E. Geller, ehemaliger Kirchmeister von Paul Gerhardt.
Der Sakralbau an der Detmolder Straße soll nun so lange besetzt bleiben, bis er wieder als Gottesdienststätte genutzt wird. In einem von Ulrike Stiewe unterzeichneten Schreiben heißt es: »Die Gottesdienste werden durch auswärtige Pastoren gehalten. Den nächsten Gottesdienst hält Pastor Johannes Hoene.«
Viele der etwa 200 Gottesdienstteilnehmer wischten sich die Tränen aus den Augen. Wehmütig nahmen sie von ihrer Kirche Abschied, an der so viele Erinnerungen hängen. Birgit Müller, die das Presbyterium verließ, als die Verkaufsverhandlungen begannen (Dezember 2005), legte eine rote Rose vor dem Altar nieder. Sie hatte zudem den Veranstaltungskasten am Eingang mit schwarzem Trauerflor ausgelegt und dazu geschrieben: »Auch wenn der letzte Vorhang fällt: Paul-Gerhardt wird weiterleben . . . in unseren Herzen!«
»Hier bin ich konfirmiert worden«, erinnerte sich Thomas Westerhoff, ein sichtlich betroffenes Mitglied der Gemeinde voller Trauer. Er und seine Frau Sibylle blicken jedoch zuversichtlich in die Zukunft: »Wir fühlen uns in unserer neuen Gemeinde, gemeinsam mit den Gläubigen von Neustadt Marien, sehr gut aufgehoben. Auch wenn wir hier eine Kirche aufgeben, so wollen wir dies doch als Bereicherung verstehen. Und dass das Gebäude weiterhin religiös genutzt wird, ist wunderbar.«
Auch Pfarrer Alfred Menzel geht den neuen Weg voller Optimismus: »Wir verabschieden uns aus der Unruhe der vergangenen Wochen, um unsere mit der Neustädter Gemeinde zusammenzuführen.«
Superintendentin Regine Burg nannte nicht nur demographische Gründe für die Misere, sondern gab auch Fehler der Kirche bei der Bewältigung der Krise zu. Sie vertraut allerdings auf Gott als Tröster: »Unser Leben ist trotz allem nie nur Abbruch, sondern auch Wandlung, nie ganz verlassen, sondern auch begleitet«, sagte sie in ihrer Predigt. Gott habe schon den Kindern Israels den Weg durchs Meer gebahnt. Tröstlich sei, dass das liturgische Inventar - Taufschale, Osterkerze, Altarbibel und Abendmahlsgeräte - in der Marienkirche eine neue Heimat finde.
Die Superintendentin äußerte Verständnis nicht für Wehmut und Trauer, sondern auch für Wut, Aggression und Protest. »Aber ich wünsche uns allen jetzt Geduld im schweren Prozess des Zusammenwachsens. Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird es wohl machen!« Leitartikel

Artikel vom 26.03.2007