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Von einem Goethe-Gedicht ließ sich Katharina Schöne bei ihrem Entwurf inspirieren.

Kreative Konfrontation
mit einem Tabuthema

Studierende entwickeln innovativen Bestattungsschmuck


Von Uta Jostwerner
und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Zunächst sei sie skeptisch gewesen, als die Herforder Jungunternehmerin Maria Beck auf sie zukam und ihr den Vorschlag unterbreitete, das Thema »innovativer Sargschmuck« zum Seminar- und Forschungsthema an der Fachhochschule für Gestaltung zu erheben, erinnert sich Willemina Hoenderken. Doch schließlich ließ sich die FH-Professorin überzeugen.
Die beeindruckenden Ergebnisse dieser künstlerisch-gestalterischen Forschungsarbeit wurden gestern im Restaurant »Glück und Seligkeit« der Presse und dem Fachpublikum -ÊBestattern aus dem gesamten Bundesgebiet -Êpräsentiert: Schmuck und Haute-Couture für Särge, Urnen und Kerzenhalter, gefertigt aus Stoffen, Leder, Wolle und Drahtgeflecht. Auf den ersten Blick lösen sie Befremden aus, auf den zweiten sind sie voller Poesie. Aber der Reihe nach.
»Ich wollte mal 'was Neues, Lebendiges als Grabschmuck anbieten«, sagt Maria Beck, deren Eltern das Bestattungsunternehmen Via Decosa führen. Erste eigene Experimente mit Stoffen riefen in der jungen Frau den Wunsch nach einer Professionalisierung wach. Schließlich wandte sie sich an die Fachhochschule für Gestaltung.
Nach erstem Zögern erhob Hoenderken das Thema Trauerkultur zum Forschunsgegenstand. Die Studierenden untersuchten im Vorfeld ihrer kreativen Entwürfe etwa Rituale und Zielgruppen, um auf unterschiedliche Bedürfnisse von Trauernden eingehen zu können. »Individualisierung wird in unserem Leben immer wichtiger. Warum nicht auch im Tod?«, erklärt Willemina Hoenderken.
Im schlimmsten Fall tritt dieser ein, ehe das Leben überhaupt richtig begonnen hat. So hat sich Nicole Beholz mit dem Sterben von Säuglingen und Kleinkindern beschäftigt. Grundlage ihrer gestalterischen Auseinandersetzung bildet das Kindchenschema, das bei Erwachsenen Schlüsselreize wie Fürsorge auslöst. »Der Bestattungsschmuck für den Sarg eines Kindes sollte auf die Bedürfnisse des Kindes zu Lebzeiten eingehen und dem Wesen des Kindes gerecht werden«, sagt sie, die aus Wolle weiche organische Formen wie Pompoms und Filzbälle als Sargschmuck auswählte.
Auch Melanie Springer setzte ich mit Kinderbestattungen auseinander. In ihrem Modell »Paradies« ranken bunten Blumen am Sarg herunter und stehen für Frühling und Neuanfang. Rafael Erfurth hat sich insbesondere dem jugendlichen Verstorbenen gewidmet. »Jede Beerdigung sollte dem Verstorbenen die letzte Ehre erweisen, indem sie seiner Persönlichkeit gerecht wird«, sagt er. Sein Sargschmuck spielt die Typen »Rocker« und »Unschuldiges, Süßes Mädchen« wider. Unter dem Titel »Rise of an Angel« bildet ein aus Draht geformter Engel die Basis für seine Gestaltung.
Lisa Höger weist in ihren Arbeiten unter anderem mit einem aus Kordeln über den Sarg gezogen und verknoteten Kreuz auf den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen hin, Julia Humme greift die Themen Lebensweg und Geborgenheit auf, die sie mit Hilfe von Origami-Schmuck und handgearbeiteten Kokons zum Ausdruck bringt.
Andrea Kopp spielt in ihren Gestaltungsvorschlägen mit Musik sowie den Wurzeln eines Menschen. Sie schuf einen filigranen Sargschmuck aus Klangstäben, die bei jedem Luftzug zarte Klänge abgeben, sowie das Modell eines Lebensbaumes, an den die Trauernden Zettel mit einem letzten Gruß anbringen können.
Von dem Goethe-Gedicht »Gesang der Geister über den Wassern« ließ sich Katharina Schöne zu einem Entwurf inspirieren, der Wasser, Seele und Unsterblichkeit assoziiert. In ihrem Entwurf »Hoffnung« drapierte sie Segeltuch in harmonischen Fließbewegungen auf dem Sargdeckel. Eine Urne steckt in einem Schiffsmodell, das ebenfalls aus Segeltuch besteht.
Sämtliche Entwürfe gehen nun in die Obhut von Maria Beck, die nicht ausschließen will, dass das ein oder andere Modell auch seriell produziert wird. Vornehmlich aber will die junge Frau dafür sorgen, dass die Entwürfe ausgestellt werden. Wer weiß, vielleicht sogar einmal im MARTa Herford.

Artikel vom 24.03.2007