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Leser sollen
beim Fest
dabei sein

Martin Walser ist 80


Von Gisela Mackensen
Überlingen (dpa). Wenn Martin Walser an diesem Samstag seinen 80. Geburtstag feiert, dann sollen seine Leser dabei sein. Denn allergrößtes Vergnügen bereitet ihm, was andere Autoren als lästige Pflicht empfinden mögen: Öffentlich lesen und Publikum hautnah spüren. So hat der Rowohlt Verlag für den Jubilar bei der Leipziger Buchmesse unter dem Titel »79plus« einen Abend im Schauspielhaus organisiert, bei dem er aus seinem neuen Gedichtband »Das geschundene Tier« vortragen und mit dem Literaturkritiker Martin Lüdke plaudern wird.
Eine große Lesergemeinde hat Walser über Jahrzehnte hinweg die Treue gehalten. Sie findet sich leicht wieder in den Figuren von Walsers Romanen. Denn mit Vorliebe beschreibt der Autor den Alltag von Normalbürgern, ihre Ängste, Sehnsüchte und Befindlichkeiten. Einfühlsam, mit großer Erzählkunst und feiner Ironie zeichnet Walser seine Helden, die sich meist als minderwertige Versager empfinden. Mit einer Sprachvirtuosität ohnegleichen spürt er dem Lebensgefühl von Vertretern, Lehrern oder Immobilienmaklern nach. Dabei nennt er Intimes, Peinliches oder Grausames gleichermaßen beim Namen. »Alles entblößen, um alles zu verbergen«, lautet seine Maxime.
Mit provokanten Äußerungen hat sich Walser gerne auch in aktuelle Diskussionen eingemischt - und dafür mehr als einmal heftige Hiebe bezogen. Seine Beweggründe klingen einfach: »Ich sage das, was mit mir zu tun hat, ich sage es öffentlich, um zu sehen, ob es anderen auch so geht wie mir.« So erregte er 1988 großes Aufsehen mit dem Bekenntnis, er könne sich mit der deutschen Teilung nicht abfinden. Hatte er in den 1960er Jahren noch Wahlkampf für die SPD gemacht und zeitweise gar als Sympathisant der Kommunistischen Partei (DKP) gegolten, wurde er nun in die rechtskonservative Ecke gedrängt.

Artikel vom 24.03.2007