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Vereins-Chef
Professor oder
Hochstapler?

Ermittlungen gegen 59-Jährigen

Von Christian Althoff
Salzkotten (WB). Ist er ein Hochstapler oder das Opfer unkorrekter Behördenauskünfte? Der Vorsitzende eines der größten Naturschutzverbände Ostwestfalen-Lippes steht im Verdacht des Titelmissbrauchs und des Betrugs.

Hans-Peter Tennagel (59) lebt in Salzkotten im Kreis Paderborn. Nach eigenen Angaben ist er Sozialversicherungsfachangestellter, Mitarbeiter im Bundesinnenministerium, Doktor und Professor. Er gibt außerdem an, einer Arbeitsgruppe der UN-Sonderberichterstatter zum Thema Menschenrechte anzugehören.
Im vergangenen Jahr hatte sich Tennagel zum Vorsitzenden der »Arbeitsgruppe Landschaftspflege und Artenschutz e.V.« (ALA) wählen lassen - eines 21 Jahre alten Naturschutzverbandes, der Träger der Biologischen Station Paderborner Land ist. Diese kümmert sich um 1400 Hektar Naturschutzgebiete und betreut zudem 12 000 Hektar des Truppenübungsplatzes Senne. Etwa 225 000 Euro öffentlicher Mittel bekommt die ALA jährlich.
Die Wahl Tennagels zum Vorsitzenden sei unter falschen Voraussetzungen erfolgt, beklagen Vereinsmitglieder heute. Er habe sich nicht nur als Professor ausgegeben, sondern auch als Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums. »Wir haben auf seine Beziehungen gesetzt und ihn deshalb gewählt«, sagte am Freitag ein Vereinsmitglied. Erst später habe man auf Nachfrage in Berlin erfahren, dass Tennagel nicht im Innenministerium beschäftigt sei.
Auch der Professorentitel ist umstritten: In einem Buch über das Leben Jugendlicher, das Tennagel im Eigenverlag veröffentlicht hat, gibt er an, 1993 als Professor für allgemeine Soziologie im schweizerischen St. Gallen habilitiert zu haben. Nachdem die Hochschule dieses dementiert hatte, spricht Tennagels Anwalt Olav Freund aus Lippstadt heute von einem »redaktionellen Versehen«. Tennagel habe seinen Professorentitel nämlich in Prag erworben, und zwar mit seiner Habilitationsschrift »Kulturen im Alltag«. Eine entsprechende Urkunde habe Tennagel dem NRW-Wissenschaftsministerium vorgelegt, das ihm daraufhin die Erlaubnis zum Führen des Professorentitels zuerkannt habe.
Ob die Urkunde aus Prag überhaupt echt war, ist allerdings nicht klar. Denn eine Mitarbeiterin der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) in Bonn, eine Abteilung der Ständigen Kultusministerkonferenz, sagte dem WESTFALEN-BLATT in dieser Woche, dass Tennagel »kein Recht zur Führung eines Dozenten- oder Professorentitels« habe. Der tschechische Gegenpart der ZAB habe mitgeteilt, dass die Karls-Universität in Prag Tennagel zwar 1993 den Titel »Doktor« zuerkannt habe, nicht aber den Professorentitel. Aus den Aufzeichnungen der Uni gehe hervor, dass sich Tennagel um eine Habilitation bemüht habe, es aber »zu weiteren Verfahren nicht mehr gekommen« sei.
Tennagel hatte noch im November in einem Gerichtsverfahren an Eides statt versichert, in Prag habilitiert zu haben. Mit der Auskunft aus Bonn konfrontiert sagte er in dieser Woche: »Das verstehe ich nicht.« Weitere Angaben wollte er »wegen des laufenden Verfahrens« nicht machen.
Denn gegen Tennagel ermittelt die Staatsanwaltschaft Paderborn wegen Verdachts des Titelmissbrauchs und des Betrugs. Letzterer ist jedoch wahrscheinlich längst verjährt: Als Geschäftsführer des Salzkottener Naturschutzvereins »Pro Mantinghausen« soll sich Tennagel zwischen 1997 und 1999 mit gefälschten Stempeln 6695,78 Mark (3423,50 Euro) Fördermittel vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe erschlichen haben, die er für sich persönlich verwendet haben soll. Markus Fischer vom Landschaftsverband sagte, man habe das Geld bislang vergeblich zurückverlangt: »Wir haben jetzt Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft beantragt und werden nach Auswertung der Unterlagen prüfen, wie wir weiter vorgehen.«
Hans-Peter Tennagel verwahrt sich aufs Schärfste gegen alle Vorwürfe. Das musste auch Herbert Wolf erfahren, der die »ALA« vor 21 Jahren gegründet hatte und 19 Jahre ihr Geschäftsführer war: »Ich habe die angeblichen Qualifikationen Herrn Tennagels in Frage gestellt. Dafür habe ich jetzt von ihm meine fristlose Kündigung bekommen - wegen vereinsschädigenden Verhaltens.«

Artikel vom 24.03.2007