23.03.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Rachefeldzug
im Internet

Wachschutz spürt Verleumdungen auf

Von Dietmar Kemper
Münster (WB). »Du bist doof!« schrieben Schüler früher auf Zettel und verteilten sie in der Klasse. Heute verbreiten sie Beleidigungen im Internet. Und das Internet vergisst nie - es sei denn, die Gemeinheiten werden gelöscht.

»Tendenz stark steigend«, antwortet Carsten Hoppe auf die Frage, ob im Internet Menschen häufig verleumdet werden. Der Geschäftsführer der Firma »Datenwachschutz« in Münster sucht mit seinen Kollegen im Auftrag von Kunden nach kompromittierenden Texten und Bildern im Mausklick-Universum. Das Unternehmen durchforstet mehr als 86 Milliarden Webseiten etwa nach Einträgen in Foren, Gästebüchern, Tagebüchern (Blogs) und Portalen.
Kunden sind beispielsweise junge Leute, die sich bewerben wollen. »Statistiken belegen, dass 23 Prozent der Firmen den Namen eines Bewerbers bei Suchmaschinen wie Google eingeben und den Kandidaten ablehnen, wenn er negativ auffällt«, sagte Carsten Hoppe dieser Zeitung. Wer nebenbei Pornoseiten betreibt oder politisch extreme Ansichten vertritt, ist beim Personalchef genauso unten durch wie jemand, von dem Nacktbilder oder Fotos vom Vollrausch bei Partys entdeckt werden.
»Auch Eltern möchten von uns geklärt haben, ob ihre Kinder im Internet aufgefallen sind«, berichtet Hoppe (37). Nach dem Amoklauf von Emsdetten seien sie verunsichert. Hat möglicherweise auch der eigene Sohn gewaltverherrlichendes Zeug im Internet verbreitet? Wer jemanden im World Wide Web anschwärzt, kann sich der Aufmerksamkeit fast sicher sein. 12,7 Millionen Menschen in Deutschland gehen im Schnitt jeden Tag elektronisch surfen.
Oft sei Rache das Motiv, um einen Menschen im »Netz« zu kompromittieren, erläutert Hoppe: »Wenn aus trauter Zweisamkeit Hass geworden ist, werden die noch auf dem PC lagernden Nacktfotos vom Ex verbreitet.«
Im Auftrag der Kunden listet die Firma Datenwachschutz alle Links mit unvorteilhaften Inhalten auf und erstellt Berichte. Was gelöscht werden soll, entscheidet der Auftraggeber. Das Unternehmen tilgt das Missliebige selbst nicht aus, bietet aber Anschreiben in sechs Sprachen an. Der Kunde trägt den Link ein, den er gelöscht haben will, und schickt das Schreiben an den vom Unternehmen identifizierten »Webmaster« ab. Das ist die Person, die für den Internet-Auftritt mit den beanstandeten Texten und Bildern verantwortlich ist. Hoppe: »In der Regel wird schnell gelöscht - wenn nicht, kann ein Fachanwalt für Internet-Recht nachhelfen.« Die einmalige Recherche kostet 39,95 Euro; wer drei Monate lang Kontrollen wünscht, zahlt pro Monat 29,95 Euro. »Viele Daten, die ins Internet gestellt werden, sind illegal oder verletzen die Würde des Menschen«, hat Hoppe beobachtet.

Artikel vom 23.03.2007